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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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ist das Gericht des Kaisers. Es kann doch nicht sein, dass wegen irgendwelcher Prozessverrücktheiten mein Kind einer Hure anvertraut wird, die es mit einem Mörder und Halsabschneider …«
    »Es kann sehr wohl!« Von Bürens Stimme war eisig geworden.
    »Aber dieses Weibsstück hat es mit einem Hexer getrieben!«
    Der Kammerrichter schlug mit der Faust auf den Tisch. Die beiden Männer fixierten einander. »Danke, du Narr«, murmelte Tomas kaum hörbar und verkniff sich ein Lächeln.
    Es war Marsilius, der nachgeben musste, natürlich. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück und ließ sich schwungvoll und mit angewiderter Miene darauf nieder.
    »Der Zeuge, der Burgvogt, wird abgelehnt«, bestimmte von Büren. Der Mann mit der Mützenbrille – er hatte sie wieder aufgesetzt und schien nun zufrieden mit dem Blick durch sein Sehutensil zu sein – nickte zustimmend. Sophie aber starrte noch immer auf den Jesuitenpater. Er kannte Heinrich, hatte zumindest von ihm gehört. Doch er wusste offenbar nicht, dass er ermordet worden war.
    Ignatius, der dem Disput mit überraschtem Interesse gefolgt war, wurde gebeten zu berichten, wie ihm das Verhalten des Beklagten in der Kirche vorgekommen sei. War der Freiherr von Palandt tatsächlich aus unchristlicher Furcht vor einem heiligen Gegenstand davongestürzt? Der Pater nickte überzeugt.
    Marsilius’ Advokat hinderte seinen Mandanten an weiteren unklugen Äußerungen und versuchte zu retten, was zu retten war. »Es liegt uns fern, den guten Pater der Unwahrheit zu beschuldigen. Doch offensichtlich hat er die Lage verkannt. Herr von Palandt war in heiligem Zorn gegen seine untreue Ehefrau entbrannt, die sich, wie ich bereits ausführte, einem üblen Subjekt, das im gesamten Jülicher Land als Werwolf und Teufelsanbeter verschrien ist, hingab. Er suchte nach ihr, um sie zur Rede zu stellen und möglicherweise zur Einsicht zu bringen – und floh aus der Kirche, als ihr eitles Betragen ihn über die Maßen reizte, weil er verhindern wollte, dass er sich im Überschwang seiner Gefühle dazu hinreißen ließ, Blut zu vergießen. Herrn von Palandt wurde klar, dass es richtiger war, auf die Weisheit des Gerichts zu vertrauen, als selbst zur Tat zu schreiten. Das Kreuz schreckte ihn nicht, es erinnerte ihn an seine Pflichten als treuer Sohn der Kirche.«
    Der Mann mit der Brillenmütze kratzte sich die Nase. Der zahnwehkranke Assessor schaute auf eine Taschenuhr, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
    Sophie ließ den Blick wieder zur Tür gleiten – und erstarrte. Wo war Josepha? Der Platz neben der Tür, auf dem sie eben noch gesessen hatte, war leer. Und da! Was war das für eine Frau, die sich gerade jetzt geschmeidig durch die Türöffnung davonmachte? Sophie krallte die Hand in Tomas’ Ärmel. Es dauerte, ehe er begriff, was sie von ihm wollte. Als er den leeren Platz bemerkte, der gerade von einem anderen Zuschauer eingenommen wurde, spitzte er die Lippen. Er schaute zu Julius. Doch der war ebenfalls verschwunden.
    »Es war Edith«, flüsterte Sophie.
    Tomas legte den Finger auf die Lippen. Wenn tatsächlich Edith Josepha hinausgelockt oder -gezwungen hatte, dann war ihre Zeugin fort. Unmöglich, das Gericht zu unterbrechen, um eine Verfolgung einzuleiten.
    Von Büren entließ den Pater, indem er ihm gemessen für sein Erscheinen dankte. Tomas stand auf und schilderte nun dem Gericht, was Josepha ihm anvertraut hatte. Sophie sah, wie das Interesse der Richter zurückkehrte. Es war ja auch grauenhaft, was er berichtete. Josepha hatte entsetzliche Angst vor den Weibern gehabt. Dennoch war sie bereit gewesen, vor dem Gericht auszusagen. Nun war das aber unmöglich geworden, denn sie hatte offenbar soeben die Flucht ergriffen.
    »Ich weiß den Grund nicht«, gab Tomas zu und hob in einer Geste der Ratlosigkeit die Hände. »Entweder hat die Anwesenheit ihres ehemaligen Herrn sie eingeschüchtert oder …« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein, bevor er weitersprach. »Welche Seelenpein mag ein Mensch durchleiden, der viele Tage in den Fängen einer Hexe verbrachte und von ihr gequält wurde? Was befürchtet er für die Zukunft? Welche Vorstellungen mögen ihn martern? Er wird sich natürlich fragen, wie weit die Macht der Hexe reicht. Kann man jemals wieder beruhigt schlafen gehen? Eine einsame Gasse aufsuchen? Ein Gericht essen, das nicht von eigenen Händen zubereitet wurde? Muss man befürchten zu erkranken?«
    »Oder ist sie vielleicht auf und davon, weil sie

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