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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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gemerkt hat, dass sie mit ihren Lügengeschichten das Gericht nicht beeindrucken kann?«, spuckte Marsilius’ Advokat.
    Moritz von Büren wischte eine unsichtbare Staubfluse vom Ärmel seines schwarzen Mantels. Er verstand Tomas’ Argumente besser als die seines Widersachers. Genau diese Fragen hatten ihn ja ebenfalls beschäftigt, während er auf seinem Gut die Hexen jagte. Er fragte nach weiteren Zeugen. Sophie schaute zu Tomas? Wann würde sie endlich selbst die Möglichkeit haben zu sagen, was ihr mit Edith und Marsilius widerfahren war? Doch er schüttelte unmerklich den Kopf. Im selben Moment erklärte der Notar, dass keine weiteren Aussagen vorgesehen seien, und das Gericht zog sich zur Beratung zurück.
    »Tomas! Warum in aller Welt …?«
    Ihr Advokat schüttelte wiederum den Kopf, und da Julius zurückkehrte, hatte Sophie auch keine Gelegenheit, in ihn zu dringen. Julius trat zu ihnen und rieb sich die eiskalten Hände. »Eine Frau hat Josepha angesprochen – so viel habe ich mitbekommen. Ich hatte dem keine Bedeutung beigemessen. Jemand, der sich beschwert, weil sie ihm zu nahe gerückt ist, habe ich gedacht. Sie riecht ja … wenig gut. Ich bin Josepha gefolgt, als sie hinausging, aber sie muss regelrecht gerannt sein. Wie von Furien gehetzt, sagte einer der Ofenknechte.«
    »War die Frau, die Josepha angesprochen hatte, schön? Blonde Haare?«, fragte Sophie.
    Julius zuckte ratlos mit den Schultern. »Daran kann ich mich nicht erinnern. Wie ist der Stand der Dinge in der Verhandlung?«
    »Josepha hätte die Assessoren beeindruckt«, meinte Tomas.
    Auch Marsilius hatte den Raum verlassen. Um sich zu überzeugen, dass Josepha nicht wiederkommen würde? Um seine Hexe zu beglückwünschen? Lag die verstörte Magd jetzt womöglich mit einem Messer im Rücken in der Gosse?
    Es war schon fast wieder dunkel, ehe das Urteil gesprochen wurde. Moritz von Büren erklärte, flankiert von den Assessoren, dass Marsilius seine Tochter der Ehefrau zu übergeben habe, bis sie dem Säuglings- und dem Kleinkindalter, in dem sie der mütterlichen Fürsorge bedürfe, entwachsen sei. Danach müsse das Kind zum Vater zurück, der das natürliche Recht zur Aufzucht besaß. So hatten sie entschieden.
    Marx schien sich über den Keller Zugang zu Tomas’ Haus verschafft zu haben. Sophie, Julius, Irmgard und der Hausherr saßen gerade vor Tellern mit einer weitgehend unbeachteten Krautsuppe und die Männer versuchten Sophie zu erklären, was genau sie sich unter dem Urteil vorstellen müsse, da kam er die Treppe hinauf und huschte durch die Diele ins Zimmer.
    Irmgard begann zu schreien.
    Statt das Zimmer sofort wieder zu verlassen, wie die meisten Menschen es wohl getan hätten, setzte Marx sich auf einen Schemel, der beim Spinett stand, und faltete die Hände. Entweder seine Bewegungslosigkeit oder Tomas’ beruhigende Worte ließen Irmgard wieder verstummen. Sie fixierte den Eindringling mit unsicheren Blicken, schien aber zu entscheiden, dass ihr keine Gefahr drohe. Irgendwo im Haus entfernten sich schlurfende Schritte. Jemand vom Gesinde war wohl herbeigeeilt und hatte nun entschieden, dass die Schwester des Hausherrn einfach wieder einmal nervös gewesen war, wie man Irmgards Ausbrüche nannte.
    »Derselbe pompöse Auftritt wie immer«, stellte Julius schmallippig fest. Tomas hatte eine Augenbraue hochgezogen, und Julius bequemte sich zu einer wenig schmeichelhaften Vorstellung des ungebetenen Gastes, die Marx in gleichmütiger Ruhe über sich ergehen ließ.
    »Die Richter haben geurteilt, dass Marsilius mir Henriette überlassen muss«, erklärte Sophie. Marx’ Lächeln bekam Wärme. »Allerdings nur für die ersten vier Lebensjahre. Es ist ein Kompromiss. Aber ich werde sie niemals wieder hergeben.« Sie blickte zu Julius, der nicht sonderbar überrascht schien. In diesem Moment fiel ein Glas zu Boden. Irmgard hatte ihren Wein umgestoßen. Tomas sprang auf, wischte das rote Rinnsal mit der Kante des Tischtuches fort und erklärte mit einem Hüsteln: »Ich denke, ich geleite meine Schwester in ihre Kammer. Wenn ich zurückkehre …« Er blickte Marx an und deutete mit dem Kopf zur Tür.
    »Selbstverständlich«, stimmte der liebenswürdig zu. Als die Geschwister aus dem Zimmer waren, fragte er: »Was war mit Josepha?«
    »Sie hat gar nicht ausgesagt.« Hastig erklärte Sophie, was geschehen war und was sie vermuteten.
    »Meinen Glückwunsch, Julius. Da kriegst du deine Zeugin und lässt zu, dass sie unter deinen Augen

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