Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Satana sathaniczo …« Es klang wie das Lateinisch, das der Pfarrer in der heiligen Messe sprach. Vielleicht war es eine Verhöhnung heiliger Gebete. Die Frauen hatten die Augen geschlossen. Evas Gesichtchen leuchtete. Endlich verklang Ediths Stimme, und die Frauen lösten ihre Hände. »Das Kind im Bauch der kleinen Närrin ist zäh«, murrte Edith.
»Ich hab das Öl in den Brei geschüttet, wie Ihr gesagt habt. Aber sie wollte nicht essen.« Eva schien zum ersten Mal verängstigt, doch Edith ging gar nicht auf sie ein.
»Marsilius will seinen Erben aus dem Bund der heiligen Ehe. Er begehrt nicht das dumme Weibsstück, das er heiraten musste, aber ihren Wurm. Und er ist misstrauisch. Wer weiß, wohin sich sein Zorn entlädt, wenn …« Sie verstummte. Düster durchschritt sie die modrige Hütte, schaute zu Josepha – und wandte sich wieder ab. »Er könnte Verdacht schöpfen, wenn das Kind stürbe.«
»Er liebt dich«, sagte die Dreckige.
»Männer lieben nur sich selbst«, widersprach Edith schroff.
»Du wirst einen Weg finden.«
»Ja, doch!«
»Und es ist noch Zeit. Der Säugling kommt erst im Sommer zur Welt.«
Edith packte die Dreckige am Arm und zog sich zu sich heran. »Verstehst du nicht? Ich kann nicht mehr lange in der Burg bleiben. Sieh mich an. Bald ist es nicht mehr zu verbergen. Was, wenn Marsilius mich vergisst, während ich fort bin? Die Schlampe ist durchtrieben. Was, wenn sie die Zeit nutzt?« Sie stieß die Dreckige von sich.
Eine Weile war es still. Josepha starrte zur Decke, durch die sich Wurzelenden wie Maden bohrten, und hoffte, man werde sie nicht mehr beachten. Nur Wasser sollten sie ihr geben. Ihre Zunge war vor Durst geschwollen und klebte am Gaumen. Diese ekelhaften Madenwurzeln, dachte sie. Es war, als befände sie sich im Bauch eines riesigen, verwesenden Tieres.
Die Dreckige durchbrach die Stille. »Salbe uns, Edith«, flüsterte sie. Ihre Stimme war plötzlich heiser vor Verlangen. Die Augen der drei Hexen richteten sich auf ein Fläschchen – einen der Gegenstände, die zwischen den schwarzen Kerzen lagen. Edith zögerte, doch dann nahm sie es auf und entstöpselte es. »Nicht dich und nicht das Kind«, sagte sie leise. »Heute werde ich Josepha salben.«
arsilius kam mit demselben Gelärme heim wie damals, als er die ermordete Müllerfamilie aufgefunden hatte. Gesche, die sich geschworen hatte, Sophie nicht mehr aus den Augen zu lassen, war als Erste beim Fenster, aber schon huschte Eva neben sie. Sophie überlegte einen Moment, ob es sich schickte, wenn sie mit dem Gesinde aus dem Fenster hing, doch sie konnte ihre Neugierde nicht bezähmen.
Der Hof war in das Licht vieler Fackeln getaucht. An die zwanzig Pferde drängten sich zwischen Palas und Wehrmauer. Die Männer lachten und scherzten miteinander. Übermütig schwenkte Marsilius seinen Hut. Eine der roten Federn segelte zu Boden. »Gebt den Pferden Bier zu saufen!«, befahl er, was seine Männer mit Gelächter quittierten. »Und uns den besten Wein!« Ein Schuss peitschte durch die Luft – Kaspar, der Henker, der auch auf diesem Ritt an seiner Seite gewesen war, hatte ihn abgegeben und erntete dafür dröhnenden Beifall. Es bestand kein Zweifel: Marsilius hatte sein Wild zur Strecke gebracht.
Ich muss aufstehen und ihn beglückwünschen, bevor Edith es tut, dachte Sophie, aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen. Seltsamerweise versetzte ihr das Wissen, dass Marx von Mengersen tot war, einen Stich. Sie musste daran denken, wie er auf seinem Schimmel die Pferdetreppe hinabgestürmt war und ihr den Kuss zugehaucht hatte … Ach was! Rasch sprach sie ein Gebet. Der Unhold hatte sie irgendwie verhext. Es war nur gut, dass es ihn nicht mehr gab! Doppelt gut, weil er nun auch nichts mehr über ihren Anteil an seiner Flucht ausplaudern konnte.
Sie schlüpfte in die Kleider, die Eva ihr bereithielt. Als sie in den Saal kam, hatten Marsilius und seine Männer ihn bereits in Besitz genommen. Sie hörte ihren Ehemann brüllen und auf den Tisch klopfen. Seine Männer lärmten. Die meisten waren Sophie unbekannt. Sicher Leute aus den Dörfern, die Marsilius für die Jagd auf Marx zusammengetrommelt hatte. Sie waren allesamt betrunken – kein Wunder nach den frustrierenden Wochen und den vielen Enttäuschungen.
»Trag Essen auf«, befahl sie Theiß, der verschlafen von der anderen Seite her den Raum betrat. »Und stellt die Tische zusammen.« Marsilius stürzte gegen das Spinett. Die Saiten gaben einen
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