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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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entgegen. Ambrosius lächelte grimmig. Er hatte keine Chance gegen seine Widersacher. Dieses Mal hatte er sich übernommen. Und da sank er auch schon von einer Kugel getroffen vom Pferd. Es ging alles so schnell. Er schien verwundet, aber nicht auf den Tod. Er kam sogar wieder auf die Füße. Einen Moment lang bewunderte Ambrosius ihn dafür, wie kaltblütig er sich dem Feind entgegenstellte. Die Scheune brannte inzwischen lichterloh, und das Feuer hatte auf das Bauernhaus in Marx’ Rücken übergegriffen. Die stabilen Mauern boten noch Widerstand, aber das Stroh auf dem Dach brannte bereits. Und da zuckten auch schon die ersten Flammen aus den Fensterlöchern.
    Ambrosius sah, wie die Bauern entsetzt und wie betäubt durch das Geschehen zur Seite wankten, um nicht unter die Hufe ihrer Helfer zu kommen. Marx’ Schimmel stob davon und ließ seinen Herrn im Stich, der nun ohne jede Hilfe war. Der lächelte. Ambrosius war sich dessen sicher. Marx würde immer lächeln. Dass man ihm dieses Lächeln nicht aus dem Gesicht schlagen konnte! Doch Gott der Herr würde es schaffen in der Stunde des Gerichts.
    Der Bandenführer tänzelte zur Tür des Bauernhofes. Niemand schoss mehr auf ihn. Er war erledigt, darüber bestand kein Zweifel. Marsilius winkte seinen Leuten mit einer breiten Gebärde, einen Halbkreis zu bilden, während die Bauern ängstlich auf einen Feldweg zuliefen.
    Marx stand jetzt mit dem Rücken zur offenen Tür. Marsilius rief ihm etwas zu, sicher eine höhnische Bemerkung, vielleicht den Befehl, sich zu ergeben. Wenn dem so war, nahm der Verbrecher das Angebot nicht an. Er sprang mit einem gewaltigen Satz in das brennende Haus und schlug die Türe zu.
    »Scheißdreck«, flüsterte Jost mit brüchiger Stimme. Er packte Ambrosius’ Arm und zog ihn in die Höhe.
    »Da kommt er nicht mehr raus«, sagte der Pfarrer. Seltsamerweise drang dabei Trauer in sein Herz. Er schüttelte den Kopf, als Jost ihn fortziehen wollte, und so schauten sie weiter ins Tal hinab. Marsilius’ Männer hatten das gesamte Haus umstellt. Hineinzugehen wagte keiner von ihnen. Das Feuer griff rasend schnell um sich. Irgendwann explodierte etwas, eine Flammensäule stieg in die Luft und schleuderte Glut in den Himmel. Danach war es, als hätte sich das Feuer ausgetobt. Das Dach stürzte herab, das Lehmfachwerk glühte auf. Die Männer brauchten nur noch zuzusehen, wie das Haus ihr Opfer unter sich begrub.
    So starb er also, dieser prächtige, entsetzliche Mörder, dieser Menschenverführer. Diese merkwürdige, irritierende Kreatur.

   ie Frau lag in den Wurzeln eines Baumes. Die straffen, braunen, feuchten Fasern krochen über ihre Beine und Schultern, und irgendwann, nach Tagen oder Wochen, würden sie um sie herumgewuchert sein, und dann würde sie von ihnen erdrosselt werden. Zumindest stellte sie sich das so vor.
    Sie schlief viel, das war Gottes Gnade für sie, aber wenn sie erwachte und sich in den Wurzeln im Moder der von Regengüssen durchweichten schwarzen Erde fand, unfähig sich zu rühren, weil sie gefesselt war, dann drehte sie halb durch vor Angst. Die Kälte quälte sie zusätzlich, und inzwischen auch Durst, denn die Hexe hatte ihren Unterschlupf lange nicht aufgesucht.
    Zittrig tastete die Frau nach dem Krug an ihrer Seite, für den sie ein Loch in die Erde gekratzt hatte, damit sie ihn nicht versehentlich umstieß. Er war fast leer. Was würde sein, wenn die Hexe tatsächlich nicht wiederkehrte? Nicht daran denken! Sie gönnte sich einen gierigen und zugleich ängstlich sparsamen Schluck von dem Wasser. Dann blickte sie sich um, in der trostlosen Gewissheit, dass sie nichts entdecken würde, was ihr hätte Hoffnung geben können.
    Man hatte sie in einer Erdhütte im Donnerbüsch eingesperrt, einem Waldstück östlich von Hecken. Die verlassene Köhlerbehausung war zum größten Teil in den Boden gegraben. Das Dach und der Eingang wurden von Büschen bedeckt, die sie in langen Jahren überwuchert hatten. Nur hier und da fiel ein wenig Licht durch Spalten zwischen den Bohlen. Der Köhler war schon vor Jahren weitergezogen. Man würde die Frau, die in seiner Behausung gefangen gehalten wurde, kaum entdecken, es sei denn durch Zufall.
    Erfüllt von Hoffnungslosigkeit starrte sie zu dem Tisch und den wackligen Schemeln, die der Köhler zurückgelassen hatte, wohl weil ihm der Transport zu mühselig gewesen war. Die rohen Möbel besaßen ja auch kaum Wert. Von der Decke baumelte eine Kette, an der ein verrosteter Topf

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