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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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aus, wie sie sich trotzdem bewegte und den Messinggriff umkrallte. Ein Geschöpf der Hölle, wie man es sich vorstellte. Ein Lichtflecken huschte an der Wand entlang, als er die Lampe wieder abstellte und in das Schrankfach langte.
    Er holte Papiere hervor, das konnte sie erkennen. Langsam trug er sie zu dem Tischchen, wo er sie ausbreitete. Was mochte es damit auf sich haben? Sophie meinte erbrochene Siegel zwischen Blättern zu sehen, von denen viele schon vergilbt waren. Sicher Urkunden, die mit der Wildenburg und den anderen Palandt’schen Besitztümern zusammenhingen. Es kam ihr merkwürdig vor, dass ein Wesen aus der Hölle sich mit derart prosaischen Dingen beschäftigte. Doch was wusste sie schon. Vielleicht gab es einen Schadenzauber, für den man die eigenhändig geschriebenen Worte des Opfers brauchte.
    Sie wagte immer noch nicht, sich zu rühren. Die teuflische Wiedergeburt des Leichendiebes schien keine Eile zu haben. Papier um Papier wurde sorgfältig angeschaut und beiseitegelegt. Einmal spitzte das Wesen die Lippen, gab aber keinen Laut von sich.
    Dafür klangen plötzlich aus dem Erdgeschoss Stimmen herauf. Sophie schloss vor Erleichterung die Augen. Die Feier schien beendet. Die Männer wollten in ihre Betten. Still dankte sie der Jungfrau und dem Gottessohn. Wesen der Nacht scheuten Menschenansammlungen. Sicher würde der Untote nun fliehen?
    Marx – oder das, in was er sich verwandelt hatte – wischte die Papiere zusammen und trug sie rasch zum Schrank. Nun konnte Sophie erkennen, womit er ihn geöffnet hatte. Es war ein gebogener Metallstift. Er verschloss ihn wieder, ließ den Stift in einen Beutel rutschen und huschte zum Fenster.
    Die Stimmen kamen näher. Die Männer hielten sich bereits im Nebenraum auf. Sophie hörte Marsilius sprechen, ohne aber verstehen zu können, was er sagte. Dirk war bei ihm und noch einige andere. Sie lachten, müde, aber zufrieden.
    Dann wurde es dunkel. Marx hatte die Lampe ausgeblasen. War er nun fort? Nein, sie hörte, wie etwas leise schepperte. Vielleicht die Kaminschaufel. Warum floh das Ungeheuer nicht?
    Weil es auf Marsilius wartete.
    Das war ihr plötzlich sonnenklar. Es ging dem Mörder und Leichendieb nicht um die Papiere, damit hatte er sich nur die Zeit vertrieben. In Wahrheit wollte er sich über den Mann hermachen, der ihn im Hexenturm gepeinigt hatte.
    Die Klinke ging nieder. »… hat Zeit«, hörte Sophie ihren Ehemann sagen. »Morgen ist ein neuer Tag.«
    »Ja, Herr«, antwortete Dirk mit seiner üblichen monotonen Stimme.
    »Wenn Ihr erlaubt …« Das war Kaspar, der Henker. »Auch kleine Wunden können schlimme Folgen haben. Und in Eurer is Schießpulver drin. Das entzündet sich. Ich hab ’n Blick dafür.«
    Sophie sah, wie Marsilius, der schon halb im Raum stand, zögerte. Er blickte zu ihr hinüber, und sie schloss rasch die Augen.
    »In meinem Sack is Salbe«, erklärte Kaspar, »ein ganzes Horn voll. Lasst mich damit das Messer einreiben, das Euch die Wunde geschlagen hat, Herr. Das is ’n probates Mittel, macht jeder im Heer. Nur müsst Ihr es dabei selbst in der Hand halten, sonst wirkt es nicht.«
    Marsilius stieß einen Fluch aus. Er schloss die Tür, und erneut senkte sich Dunkelheit über den Raum. Sophie hörte, wie sich beim Kamin etwas regte. Katzenhafte Schritte kamen auf ihr Bett zu. Marx hatte sie entdeckt. Sie umklammerte die Decke. Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Sie brachte keinen Laut hervor. Entsetzt sah sie, wie der Teufelsdiener sich über sie beugte. »Sieh an, die kleine Dame vom Tor.«
    Es war zu dunkel, um viel erkennen zu können. Sophie meinte Narben in dem Gesicht zu entdecken. Der Tote sah grässlich aus.
    »Wie heißt du?«
    Nicht einmal, wenn sie wollte, hätte sie etwas erwidern können.
    »Eine brave Ehefrau würde jetzt um Hilfe schreien.« Das Gesicht verzog sich zu einer Fratze. »Meinen allerbesten Dank jedenfalls, dass du’s nicht tust.« Der Wiedergänger löste sich nicht in einer Schwefelsäule auf, wie sie vermutet hätte, sondern ging zum Fenster, schwang sich auf den Sims und verschwand in der Nacht, auf demselben teuflischen Weg, auf dem er gekommen war.

   in Brief? Ein verschwundener Brief?« Reinhard von Plettenberch ächzte vor Missmut. »Verzeiht, wenn ich Euch nicht folgen kann, Julius. Ich vertrage das Reiten nicht. Mein Nacken ist hart wie ein Klotz, mein Schädel platzt. Es macht Euch nichts aus, wenn ich mich hinlege?«
    »Natürlich nicht.« Höflich rückte Julius seinem

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