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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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zu fahren. Ein Instinkt sagte ihr, dass ihm das gefallen würde. Er rührte sich nicht, aber es schien ihn auch nicht zu stören, dass sie aktiv wurde. Vor allem aber fuhr er ihr nicht über den Mund. »Edith hat versucht, mich und unser Kind zu vergiften«, flüsterte sie eindringlich. »Ich weiß, dass sie mich beseitigen will, um dich für sich allein zu haben.«
    Marsilius gab immer noch keine Antwort. War er etwa eingeschlafen? Nein, seine Augen glitzerten in der Dunkelheit. Sophie beschloss, ihn nicht weiter zu bedrängen. Mutter hatte das bei Vater auch nie gemacht. Immer nur wenige beiläufige Sätze. Mehr würde Widerspruch hervorrufen, hatte sie erklärt.
    Das Grölen der Männer drang zu ihnen hinauf. Die Fackel verglomm. Und dann sprach Marsilius doch wieder. »Zu brennen tut weh, Sophie. Ich habe Angst vor dem Fegefeuer.«
    »Wir alle.«
    »Ich träume nachts davon. Ich träume, wie die Teufel auf mich zukommen, mit Folterwerkzeugen in der Hand, wie nur der Böse sie ersinnen kann. Ich spüre ihre Krallen, die sich in mein Fleisch graben. Unser Feuer ist heiß, aber das Feuer der Hölle ist heißer, Sophie. Und es wird ewig brennen. Kannst du dir das vorstellen? Ewig gequält zu werden?«
    »Du stehst unter dem Segen der Kirche.«
    »Ja.«
    »Schick Edith fort«, platzte Sophie heraus.
    »Edith, du hast recht.«
    Sie hielt den Atem an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er ihr zugestimmt?
    Sie begann erneut, ihn unter der Decke zu streicheln, aber dieses Mal hielt er ihre Hand fest. »Wir werden unser Leben neu beginnen«, wisperte er in ihr Ohr. »Wir werden Marx, den Hund, vergessen und Edith ebenso. Und ein Leben führen, wie ich es mir immer gewünscht habe. Du wirst mir Söhne schenken, und ich werde sie mächtig machen.«
    »Das wirst du sicherlich tun.«
    Er küsste sie nicht, aber er bemühte sich, ihr nicht weh zu tun, als er schließlich aus dem Bett kletterte. Sie sah ihm zu, wie er in seine Kleider stieg. Als die Tür zuklappte, schluchzte sie erleichtert auf. Edith hatte die Burg verlassen, und mit ihr war offenbar auch ihre Macht über den Burgherrn geschwunden. Wenn das nicht der nachdrücklichste Beweis dafür war, dass es sich bei ihr um eine Hexe handelte?
    Sie atmete den Geruch nach Samen und Wein ein, den ihr Mann im Zimmer zurückgelassen hatte, und widerstand dem Impuls, in ihre eigene Kammer zurückzukehren. Wenn Marsilius in dieser Nacht erneut den Wunsch nach ihrer Umarmung haben sollte, dann musste er sie hier finden.
    Sie dachte, sie wäre erwacht, aber sie musste immer noch träumen. Es war gar nicht anders möglich. Ihr Traum hatte sie in Marsilius’ Schlafkammer getragen, in eine verwirrende, der Realität ähnelnde Umgebung. Es musste so sein, denn wenn das, was sie gerade sah, die Wirklichkeit war, würde sie sterben.
    Sophie hielt, am ganzen Leibe zitternd, den Atem an. Ohne die geringste Bewegung zu wagen, starrte sie zu einem dunklen Stollenschrank, in dem Marsilius seine Papiere aufbewahrte. Marx von Mengersen kniete vor dem Möbel. Er war es unzweifelhaft. Sein wilder blonder Schopf kräuselte sich feucht um Hals und Nacken.
    Aber sie träumte keineswegs. An ihrem nackten Oberschenkel spürte sie die klebrige Hinterlassenschaft ihres Mannes. Die gehörte ins reale Leben. Dennoch schloss sie versuchsweise die Augen und riss sie wieder auf.
    Marx kniete immer noch vor dem Schrank. Sein Gesicht, das vom Schein einer Lampe beleuchtet wurde, trat weiß aus der Dunkelheit hervor. Er machte sich am Schloss des Schrankes zu schaffen, mit etwas, das er in der Hand hielt und das kratzende Geräusche verursachte. Er brach ein.
    Ein Toter, der stehlen wollte wie ein gewöhnlicher Dieb? O gütige Jungfrau, was geschah hier? Jedes Geräusch vermeidend, zog Sophie die Decke bis fast zu den Augen. Ihr Blick fiel auf ein dunkles Häuflein, das vor dem Bett auf den Dielen lag. Ihre Kleider. Auch das noch – sie war nackt!
    Gut, sie musste die Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren. Sie war also erwacht und wurde wirklich und wahrhaftig Zeuge, wie ein Wiedergänger dabei war, sich an seinem verhassten Feind zu rächen. Ging es um Gift? Um ein unsichtbares Zeichen, das als Schadenzauber diente?
    Klick! Die Tür des Stollenschrankes sprang auf, und Marx erhob sich aus der gebückten Stellung. Sophie sah, wie er sich den Rücken massierte. Dann nahm er eine Lampe vom Tischchen und leuchtete damit ins Innere des Schrankes. Seine Hand war zu einer Klaue verformt. Es sah grässlich

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