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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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selbst muss ihm gesagt haben, wohin der Gang führte, denn das wusste niemand, nicht einmal der Herr. Jedenfalls war das sein Weg. Er hat es sogar geschafft, die Tür zu öffnen.«
    »Nein, das war Edith.« Sophie erzählte kurz, was geschehen war. »Ich bin durch den Gang geflohen und Marx dort begegnet. Und es stimmt wirklich, Dirk: Er ist zu einem Werwolf geworden. Ihm war ein Fell gewachsen, aber ich habe ihn an seinen Augen erkannt.«
    Sophie sah, dass Jössele, der in die Küchentür getreten war und lauschte, sich bekreuzigte.
    »Und dann?«, fragte Dirk.
    Sie hatte ja kaum eine Erinnerung. Der Werwolf hatte sie mit sich geschleift und der gnädige Gott sie schließlich das Bewusstsein verlieren lassen. Dann war sie am Ufer des Tümpels aufgewacht, eingehüllt in das Fell des Untieres, das es nach seiner Rückverwandlung in einen Menschen abgeworfen haben musste. »Ich weiß nicht, warum ich noch lebe«, flüsterte sie. »Er ist mir schon zweimal erschienen. Einmal in dem Tunnel und einmal in der Nacht, nachdem er gestorben war.«
    »Da auch?«
    Sie nickte. »In der Burg.«
    Dirk stöhnte auf. »Ich habe ihn selbst in dem Bauernhof verbrennen sehen. Und doch ist er gesund und munter – wenn auch auf eine Weise, die ein Christenmensch sich kaum vorstellen kann. Er und Edith …« Der Vogt warf einen Blick über die Schulter zu den anderen Männern, die sich jetzt bei der Tür sammelten. Er zog Sophie ein Stück weiter den Gang hinab und flüsterte: »Die beiden hassen einander. Aber sie dienen demselben grausamen Herrn. Ihr müsst Euch in Acht nehmen, Herrin. Seid vorsichtig – auch wenn ich nicht weiß, wie Ihr das anstellen sollt. Marx kam aus dem Verließ, gerade als wir den kleinen Kerker hinter der großen Zelle untersuchten. Er sprang durch die Öffnung, richtete sich vor uns auf, größer, als er in seinem irdischen Leben gewesen war, und … Er rief nach einem Brief.«
    »Tatsächlich? Ich weiß, dass er in Marsilius’ Kammer den Stollenschrank durchwühlte.«
    »Ganz sicher aus demselben Grund! Es ist sonnenklar, Herrin. Der Teufel hat ihn damals, als er bei uns gefangen lag und auf seine Hinrichtung wartete, in seinem Kerker besucht. Er muss voller Schmerzen und Angst vor dem Kopfabschlagen gewesen sein, und deshalb war er bereit, seine himmlische Seele zu verkaufen. Und als der Leibhaftige ihm Freiheit und Gesundheit versprach, hat er es getan. Anders kann es nicht gewesen sein. Auch dass er zum Werwolf wurde, wird dort abgehandelt worden sein. Und nun muss er seinem Herrn dienen, bis der allmächtige Gott Satanus unter den Füßen zertritt – oder Marx den Vertrag durch das Feuer einer geweihten Kerze vernichten kann. Denn das ist der einzige Weg: Er muss das Papier finden und es in einem heiligen Feuer zerstören. Deshalb kehrt er immer wieder in die Burg zurück.«
    Sophie war wie betäubt von dem Abgrund, der sich ihr auftat. »Meinst du, dass Marsilius diesen Vertrag aufbewahrt?«
    »Er oder Edith. Denn die beiden waren die Einzigen, die in den Hexenturm gingen, als Marx dort gefangen lag.«
    »Warum stellst du dich nicht gegen sie, Dirk?«
    »Das geht nicht, das ist einfach nicht möglich. Ich …« Er hielt inne. Schiere Verzweiflung lag in seinem Blick.
    »Dirk …«
    Er schüttelte den Kopf. Als er auch danach nichts sagte, machte sich Sophie entmutigt zurück auf den Weg zur Treppe. Sie hatte sie fast erreicht, da rief Dirk ihr nach: »Wir haben Gesche gefunden, Herrin, und gesehen, dass ihr sämtliche Glieder gebrochen worden waren und man in ihren Bauch mit einem Messer einen Ziegenkopf geritzt hat. Kommt mit uns zur Wildenburg. Ihr habt dem Herrn ein Kind geboren. Auf Euch könnte er hören. Ihr seid unsere Hoffnung.«
    Seine Stimme verhallte im Flur.
    Es war eine Stunde später, als Sophies Eltern in ihre Kammer kamen, um mit ihr zu reden. Aber dieses Mal war es Vater, der sprach. Er zählte einige von Marsilius’ Verbündeten auf und nannte dann seine eigenen Freunde, die ihn einst bewogen hatten, Sophie mit Marsilius zu vermählen, und die sich nun, wenn sie nicht zur Wildenburg zurückkehrte, gekränkt fühlen würden. Er redete von Zahlen, und irgendwann ging ihr auf, dass er von den Männern sprach, die er bewaffnen könnte, und von den wenigen Verwandten, die zu ihnen halten würden, wenn sie nicht zur Wildenburg zurückkehrte. Er sprach von Blut, das fließen, und von Dörfern, die brennen würden. Von verwüsteten Feldern und vernichteten Ernten.
    »Aber hör

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