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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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anderes anbot. In seinen trüben Momenten fragte er sich, wie es sein würde, wenn sie ihn in dem See ertränkten.
    Wie lange war er überhaupt schon hier? Drei Tage? Vier? Marx und einer seiner Kumpane hatten ihn in jener Nacht am Bachufer gefesselt, ihn auf ein Pferd gesetzt und in einem Teufelsritt, bei dem sich Julius der Magen umdrehte, zur Höhle geschafft. Doch dann war alles anders gekommen, als er es sich vorgestellt hatte. Marx war umgehend verschwunden und hatte ihn bei seiner Bande zurückgelassen, ohne zu erklären, wie lange er fortbleiben würde. Aber war nicht genau das seine Art? Er spielte mit den Menschen. Er benutzte sie zu seinem Amüsement. Wie haben wir ihm Heinrich nur anvertrauen können?, dachte Julius wütend. So brillant konnte keine Fechtkunst sein, dass sie es rechtfertigte, diesem Hasardeur ein Kind in die Hände zu geben. Wieso hatte er nicht stärker protestiert? Wieso …
    »Ich kann’s nicht ausstehen, wenn man mich ausfragt!«
    »Wer tut das denn?«, knurrte Julius unliebenswürdig und widmete sich erneut der frustrierenden Tätigkeit, seine Umgebung zu studieren. Einer der Räuber hatte Pfirsiche gestohlen. Sie lagen golden, manche schon ein wenig braun, in einem Korb. Herrgott, hatte er einen Hunger.
    Schließlich, in der folgenden Nacht, kehrte Marx zurück. Julius nahm zumindest an, dass es Nacht war, denn das Pack, das der Söldner um sich geschart hatte, lag in Federbetten eingemummelt auf dem höher gelegenen Teil der Höhle und schnarchte. Ihr Anführer betrat die Höhle leise. Ordentlich verstaute er seine Fackel, indem er sie zu den anderen ins Gitternetz eines gestohlenen Feuerkorbs steckte. Er musterte die Schläfer und warf seinen Umhang ab. Dann kam er zu Julius, der neben dem schwarzen See an der Felswand lehnte und brodelnde Wut im Bauch hatte. Er setzte sich zu ihm, streckte die Beine aus und lagerte die gesunde Hand und die Kralle auf seinen Oberschenkeln. »Alles gut mit dir?«
    »Alles wunderbar«, fauchte Julius.
    »Das freut mich – oder … eigentlich freut es mich nicht. Ich hatte gehofft, wenn du erst ordentlich Hunger hast und dich auch sonst ungemütlich fühlst, wärst du bereit, mir in Erwartung weiteren Unwohlseins dein Herz auszuschütten. Wo wir einander doch so viel zu erzählen haben. Das haben wir doch, oder?«
    Julius schwieg, von zornigen Gefühlen überwältigt. Er wäre so gern kühl geblieben. Er hätte sein Herz so gern mit Bitterkeit gepanzert. Aber es ging nicht – nicht mit dem Bild von Heinrichs Grab vor Augen. Sein Drang, Marx von Mengersen endlich ins Gesicht zu schreien, was er von ihm hielt, war gewaltig. Allein das Wissen, dass er sich damit nur weitere geschmeidig-bissige Bemerkungen einhandeln würde, ließ ihn schweigen.
    »Erzähl mir von der Beerdigung«, forderte Marx ihn auf.
    »Willst du Küchlein dazu reichen?«
    »Ist es so sonderbar, wenn ich davon erfahren möchte?«
    »Reinhard brach in Tränen aus, und Elisabeth war verstört. Es hätte dir also gefallen. Kummer in jedem Herzen!«, schnaubte Julius.
    Marx strich mit der gesunden Hand über seine Kralle. Er betrachtete sie und sortierte pedantisch den Spitzenärmel neu. »Gut. Die Beerdigung ist also kein Thema. Welches wäre dir denn angenehm? Die politische Lage? Wir könnten über das Wetter sprechen. Es regnet. Es schüttet wie aus Eimern. Gibt’s dazu eine Bemerkung? Herrgott, er lässt mich die Unterhaltung komplett allein bestreiten. Wie steht es um den braven Conrad?«
    »Der Junge hasst dich mit jedem Herzschlag.«
    »Das hör ich gern. Da hat er endlich einmal ein Gefühl, das größer als ein Hühnerschiss ist. Ich hab das immer bei ihm vermisst. Wo steckt er eigentlich? Ich habe ihn nach Heinrichs Tod gesucht. Aber ihr beide wart fort wie die Mücken bei einem Regenguss. Einfach nicht aufzufinden.«
    Er ist noch in Köln, zum Studium der Theologie – was du wüsstest, wenn du ihm auch nur einen Funken Interesse entgegengebracht hättest, wollte Julius seinen Kerkermeister anfahren, doch dann packte ihn ein ungutes Gefühl. Ein Löwenmutterinstinkt. Marx hatte Conrad nie gemocht, ihn bis zur Kränkung ignoriert, obwohl er eigentlich beide Cousins hätte unterrichten sollen. Warum lenkte er nun das Gespräch auf ihn? Bei Marx gab es keine simple Freundlichkeit oder auch nur Höflichkeit. Er war wie eine Katze – immer geradlinig, immer auf dem Sprung. Das war es ja, was ihn ausmachte. Sein Hang zur Berechnung, sein ständiges Pläneschmieden. Über

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