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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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zwar, sich zu verbergen, aber dort unten ist erst vor kurzem jemand gegangen oder geritten!«
    Nachdem sie erst einmal den verräterischen Pfad gefunden hatten, war es eine Kleinigkeit, den Eingang zum Bergwerk zu entdecken. Er befand sich unspektakulär hinter einigen Büschen an der Seite eines Hügels. Die Bergleute hatten ihn durch Baumstämme gesichert und mit Steinen ummauert, und daran erkannte Ambrosius ihn zweifelsfrei wieder. Sie versteckten die Pferde. Mit einem Widerstreben, das in seltsamem Gegensatz zu ihrer Ungeduld stand, bückte Sophie sich unter dem Mauerbogen hindurch. Sie stand nun in einer Art Vorraum des Stollens. Ein Gang aus glitzerndem, teils grünem Fels tat sich vor ihr auf, verlor sich aber schon nach wenigen Schritten in der Dunkelheit.
    Ambrosius stieß gegen sie. »Und? Wollen wir weiter?«
    »Wir haben kein Licht.«
    »Nicht doch.« Der Pfarrer kniete nieder und öffnete ein Säckchen, das getrockneten Zunder enthielt. Einen Ast hatte er bereits aufgelesen. Er war geschickt und brauchte nur wenige Streiche mit dem Feuerstein, bis der Zunder und gleich darauf der Ast brannte. Sophie raffte rasch zwei weitere Hölzer auf. Mit klopfendem Herzen machten sie sich auf den Weg, mussten allerdings bald feststellen, dass sich der Gang verzweigte, und zwar gleich an mehreren Stellen.
    »Wie habt Ihr Euch damals orientiert?«
    »Ich selber gar nicht. Die Kerle hatten mir die Augen verbunden – wohl um genau das hier zu verhindern, dass ich die Höhle nämlich wiederfinde«, erklärte der Pater verschämt.
    »Und nun?«
    »Draußen lagen frische Pferdeäpfel. Habt Ihr das bemerkt? Sie sind also immer noch hier. Wir müssen nur den Ausgang bewachen.«
    Sophie stöhnte vor Ungeduld, sah aber ein, dass der Pfarrer recht hatte. Resigniert begaben sie sich wieder ins Freie. Sie richtete sich auf ein tagelanges Warten ein. Wahrscheinlich befand Marx sich mit seinen Männern wieder auf Raubzügen, und wenn sie Pech hatte, dann war er ganz auf und davon. Während sie beobachtete, wie die Sonne sich zur Erde senkte und den Wald golden färbte, schaute sie auf ihre schmutzigen Hände und den Kleidersaum, der sich über ihren dreckigen Schuhen auflöste, und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie den Verstand verlor. Wäre das Leben auf der Burg wirklich schrecklicher als dieses stinkende Dahinvegetieren? Ihr Leben zerbrach ihr unter den Händen. Bald würde es Winter sein. Und dann? Menschen in ihrer Lage erfroren und verhungerten.
    Sie zuckte zusammen, als Ambrosius sie bei der Schulter packte. Aufgeregt deutete er zum Waldsaum gegenüber. »Da!« Reiter sprengten zwischen den Bäumen hervor. Die Männer – es waren sechs oder sieben – droschen auf ihre Tiere ein. Gleich darauf wurde klar, warum. Sie wurden verfolgt. Eine Meute Bewaffneter brach hinter ihnen durch die Büsche, mit Federhüten bekleidet. Der Mann, der sie anführte – ein fülliger Riese mit Beinkleidern, aus deren Schlitzen rote Seide quoll –, hob die Hand, als er die freie Fläche erblickte, und brachte seine Leute zum Stehen. Sophie sah ihn gestikulieren. Seine Männer bildeten eine Reihe und zogen Pistolen aus den Satteltaschen.
    Ein Ruf ließ auch die Gejagten innehalten. Marx von Mengersen hatte ihn ausgestoßen. Er war der Anführer der Flüchtenden. Sophie erkannte ihn an dem wehenden blonden Haar und an der aufreizend lässigen Haltung. Ohne es selbst zu merken, schlug sie die Hand vor den Mund.
    Marx wirkte nicht gehetzt, im Gegenteil, er änderte die Richtung und nahm sich, während sein Pferd tänzelte, gelassen Zeit, die Männer, die auf ihn anlegten, zu studieren. Was er dann sagte, konnte sie nicht hören. Doch unmittelbar bevor die Pistolen mit ohrenbetäubendem Lärm losfeuerten, stob sein Trupp auseinander. Jeder Mann in eine andere Richtung – vermutlich hatte darin sein Befehl bestanden. Er selbst duckte sich blitzschnell und saß dann wieder aufrecht und schien als Einziger nicht bereit zu sein zu fliehen. Eine Kugel, die von einem Nachzügler abgefeuert wurde, riss ihm das Barett vom Kopf. Er zuckte nicht einmal.
    »Gott hat ihm den letzten Rest Verstand geraubt«, flüsterte Ambrosius. »Fort, Sophie, bevor wir mit in den Abgrund gerissen werden.«
    »Schaut nur, er will sich ergeben.«
    Ambrosius schüttelte skeptisch den Kopf. »Der Teufel steht ihm bei.«
    »Der Teufel nutzt ihm nichts. O süße Jungfrau …«
    Die Männer mit den Pistolen – sicher Häscher der Justiz – hatten ihre Pferde

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