Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
ihr Wimmern zu achten, den Rock der Gefesselten zurück. Sie strich Salbe aus dem Tiegel in die Hand und begann, den kalten Sud in Josephas Scham zu reiben. Dabei murmelte sie Lateinisches. Ihre Hand war noch kälter als der Sud.
Benommen vor Angst, wartete Josepha, bis Edith von ihr abließ. Sie betete unablässig, aber sie wusste, dass ihr das nichts nutzen würde. Edith machte aus ihr eine Hexe, und Gott würde sie deshalb vernichten, weil er alles vernichtete, was unrein war. In einer Mischung aus Angst und Faszination sah sie zu, wie die Hexen ihre Röcke hoben und einander unter grausigsten Beschwörungen nun ebenfalls die Scham und dann die Zungen salbten. Eva kicherte aufgeregt. Sie kam zu Josepha herüber und drückte ihr einen warmen Kuss auf den Mund.
Dabei glitt ein Messerchen aus ihrer Schürze. Vielleicht hatte sie in der Küche Obst geschält. Marsilius aß doch so gern die letzten Herbstäpfel. Josepha hielt den Atem an und wartete, ob das Kind sich danach bückte. Aber Eva hatte den Verlust offenbar nicht bemerkt. Vorsichtig schob Josepha den Ellbogen auf die kleine Klinge und versuchte ihre Aufregung zu verbergen. Bot sich hier eine Möglichkeit zur Rettung?
Erst einmal nicht. Die Kinder waren eingeschlafen und gaben keinen Mucks mehr von sich, aber die Hexen hielten Wache. Die Zeit verging, und Josepha spürte, wie ihr allmählich warm wurde. Sie kannte das schon und musste sich eingestehen, dass sie den Augenblick herbeisehnte, in dem ihre Furcht nachlassen und sie stattdessen Wohlbehagen durchströmen würde. Sie beobachtete die Hexen, die sich zu liebkosen begannen. Edith leckte ihre Mutter ab, wozu die Dreckige lachte. Ich muss das hassen, dachte Josepha, aber sie war viel zu entspannt, und als Edith zu ihr kam, um sie zu umarmen, gab sie sich ihr wohlig hin.
Doch als der Teufel kam – irgendwann später, Josepha fehlte jedes Zeitgefühl –, war die Furcht in aller Intensität wieder da und schlimmer als zuvor. In der Begleitung des Höllenfürsten tanzten Gnome und Fratzen und grausige Geschöpfe, die Josepha an Lindwürmer erinnerten, die aber die Gesichter von Dirk Wolpmanns armen Kindlein hatten. Sie begann zu weinen.
Edith kniete nieder und küsste dem obersten Dämon, dem Beelzebub, den Anus, der sich blutrot aus seinem Hintern wölbte. Er schwang sie lachend herum, nahm sie in die Arme und tanzte einen höllischen Tanz, bei dem sie immer wieder mit dem Mund sein Glied umschlang.
Josepha hörte ein Kreischen, von dem sie gar nicht begriff, dass es aus ihrem eigenen Mund kam. Aus der Höhlendecke wanden sich die Maden und fielen auf sie herab. Da spürte sie unter ihrem Arm plötzlich wieder das Messerchen, das Eva verloren hatte. Sie schaffte es, die kleine Waffe in die Hand zu bekommen. Ihr strömte Blut aus den Handflächen, aber es gelang ihr, die Fesseln durchzuschneiden und sich aus den Wurzeln zu befreien.
Einer der Teufel kam auf sie zu. Sie wich ihm und den anderen Tänzern aus und kroch auf die Tür zu, die einladend offen stand. Dann war sie draußen.
Sie wusste, dass sie bald einschlafen würde, denn das war die Art, wie solche Hexensabbate endeten: Mit einer tiefen Bewusstlosigkeit, der man sich nicht entziehen konnte. Ihre Beine waren taub, deshalb konnte sie nicht aufstehen, aber sie schaffte es, ins Unterholz zu robben. Über ihr hingen Äste, zwischen den Ästen turnten kleine Kobolde, die ihr aber nichts antaten. Sie murmelte Gebete, schaute zu den Sternen und flehte alle Heiligen an, deren Namen ihr in den Sinn kamen. Die Erde unter ihren Händen war nass und fettig. Regentropfen fielen auf sie herab. »Heilige Barbara … Jungfrau … Jesus …«
Sie entkam. Zumindest bildete sie sich ein, dass es so war. Die Erde fühlte sich köstlich an wie das pure Leben.
mbrosius hatte ihr nachgegeben. Allerdings erwies er sich jetzt als reichlich zerstreuter Helfer. Sophie sah, wie er den Klepper, den er sich von einem seiner Schäfchen ausgeliehen hatte, um ein Fuchsloch trieb und müde seine Augen rieb. »Hier vielleicht«, murmelte er. »Ich weiß nicht, ob es derselbe Platz ist. Wir waren an so vielen Orten. Ich kann mich an Felsbrocken erinnern. Der Berg dort – findet Ihr, er sieht aus wie ein Ziegenkopf? Damals hatte ich an einen Ziegenkopf gedacht, obwohl … Ich habe Euch gleich gesagt: Erwartet nicht zu viel.«
Sophie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. Führte der Pfarrer sie vielleicht bewusst in die Irre? Sie wurde nicht recht schlau aus
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