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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Herrn auszudrücken: Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch …«
    »Wenn sie weint … Marsilius ist ein Ungeheuer.«
    »Nein, nein.«
    »Doch.« Sie wusste es besser als der Pater. Sie hatte den blutigen Abdruck des gefolterten Mörders auf Marsilius’ Hemd gesehen. Wenn ihr Mann die Nerven verlor, kannte er keine Grenzen. Ambrosius hatte recht: Sie musste tatsächlich in die Burg zurück.
    Und dann?
    »Hört zu, Kind …«
    Sie wandte den Kopf ab. Alles lag klar vor ihr. Wenn sie auf die Wildenburg zurückkehrte, würde sie sterben – in wenigen Tagen oder Wochen, vielleicht sofort nach ihrer Ankunft. Aber wenn sie starb, war Henriette endgültig verloren. Ihre Tochter brauchte eine lebende Mutter. Bilder wirbelten durch ihren Kopf, mit denen sie sich Hoffnung zu machen versuchte. Ihre Eltern, die die Breitenbendener Männer bewaffneten, um das Enkelkind mit Gewalt zurückzuholen … Die heilige Kirche, die der Hexe das Handwerk legte … Doch das würde nicht eintreten. Wenn sie tot war, gäbe es niemanden mehr, der für ihr Kind kämpfte.
    Und da sah sie wieder Marx vom Mengersen vor sich, der lachte, als man ihn zum Richtblock schleppte, der Marsilius’ Schränke durchwühlte und sich respektlos über ihr Bett beugte. Vielleicht hatte er sich wirklich dem Bösen verschworen, aber er war das einzige Wesen, das sich vor Marsilius und Edith nicht fürchtete.
    Ein Werwolf, dachte Sophie von Zweifeln zerrissen. Und doch, er hatte sie im Tunnel nicht getötet, obwohl er es hätte tun können. Kannten Werwölfe so etwas wie Dankbarkeit? Sie hatte ihn vor der Hinrichtung gerettet. Langsam hob sie die Augen zu Ambrosius. »Ich muss zu Marx von Mengersen.«

   osepha bemerkte die Anwesenheit der Hexen erst, als sie eine Hand auf ihrer nackten Haut spürte. »Es ist so weit«, hörte sie Ediths Stimme. Sie klang dumpf und unheilvoll. Als die Hexe sich erhob und den modrigen Kerker durchschritt, schlug Josepha die Augen auf. Die Dreckige und Eva standen bereits vor dem Tisch. Außerdem war eine weitere Frau gekommen, die Josepha nicht kannte. Sie war jung, ihr Körper geschmeidig, ihre Brüste so groß, dass sie fast das wollene Mieder sprengten. In ihren Armen lag ein Kind, das leise wimmerte.
    Josepha hörte, wie die Hexen miteinander flüsterten, aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Auf dem Tisch stand ein Weidenkörbchen, und zunächst nahm sie an, dass der Säugling darin transportiert worden war. Doch dann drang aus dem Behältnis ebenfalls ein leises Weinen. Edith beugte sich über den Korb und holte einen zweiten Säugling heraus. Sie schaute ihn so kalt an, wie Josepha noch niemals ein Weib auf ein Kind hatte blicken sehen. Grob legte sie ihn auf den Tisch und begann, die Windeln zu lösen. In Josepha regte sich Empörung, als sie merkte, wie brutal das Kleine gewickelt worden war. Sie war jahrelang die Amme von Clara Wolpmanns Kindern gewesen und wusste, welche Schmerzen zu straffes Binden verursachte.
    Edith stützte sich auf die Tischplatte und starrte missmutig auf den plärrenden Säugling hinab. Sie winkte der Fremden, und diese legte das zweite Kind neben das erste. Es war ebenfalls nackt. Schweigend umstanden die vier Hexen die Kinder, die jetzt, da sie froren, noch erbärmlicher jammerten.
    »Sie sehen einander nicht im Geringsten ähnlich«, meinte die Dreckige schließlich bedauernd.
    »Schweig, Mutter!«, fauchte Edith. Es war wieder still, bis auf das Weinen der Kinder.
    »Ein Jammer, dass du keinen Sohn geboren hast. Den hätt er gewollt.«
    »Er will gar nichts von einer Hexe, außer ihrem Fickloch«, zischte Edith.
    »Und was hast du nun vor?«
    »Was weiß ich!«
    Eva wagte es, sich zu Wort zu melden. »Man kann sie nicht vertauschen. Der Herr erkennt seins. Er meint, es hätte seinen Mund.«
    Die Dreckige hielt ihre Tochter fest, die nach dem Mädchen schlagen wollte. »Du darfst nicht den Mut verlieren. Kleine Kinder verändern sich rasch. Heute sehen sie so aus, morgen ganz anders. Man muss warten, bis Marsilius eine Weile fort war.«
    Die vierte Hexe, die mit den riesigen Brüsten, sagte gar nichts, sondern kratzte sich den Oberarm.
    »Wickle sie wieder ein«, befahl Edith ihr und wandte sich ab, um ein Säckchen aus einer Ecke zu holen. Sie langte hinein und zog einen Tiegel aus Blei heraus. Josepha versteifte sich. Ihr wurde vor Scham und Furcht heiß, als Edith auf sie zukam. Sie wusste ja, was folgen würde. Das Weib kniete neben ihr nieder und schlug, ohne auf

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