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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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wieder in Bewegung versetzt und begannen auf Marx zuzuhalten. Ihre Pistolenläufe waren allesamt auf ihn gerichtet. Marx rührte sich immer noch nicht.
    »Gott hat die Geduld mit ihm verloren«, flüsterte Ambrosius heiser. »Er ist zur Salzsäule erstarrt wie ehedem Lots Weib. Herr, dein Name sein gelobt und der der Jungfrau und ihres göttlichen Sohnes … «
    Marx’ Schimmel schnaubte. Als würde er lachen, dachte Sophie. Es kam ihr vor, als würden Reiter und Ross sich amüsieren. Die Bewaffneten trennten sich, um ihr Wild von mehreren Seiten einzukreisen. Sie mussten dazu weiter nach Süden schwärmen. Und schlagartig begriff Sophie, was Marx vorhatte: das Bergwerk. Er wollte versuchen, durch den alten Stollen zu entkommen. Der Weg dorthin war jetzt frei und würde es auch bleiben, weil Dornenbüsche eine undurchdringliche Barriere zu den bewaffneten Reitern zogen. Aber das bedeutete … »Wir müssen fort!«
    Noch während sie es sagte, glitt Marx vom Pferderücken. Schon stand er neben seinem Schimmel und hatte die Pistole gezogen. Die Gestalt mit dem ausgestreckten Arm hob sich schwarz gegen das Sonnenlicht ab. Er nahm sich Zeit zum Zielen. Dann hallte ein Schuss durchs Tal. Der Reiter mit der roten Seidenhose, der die Rotte führte, fiel aus dem Sattel. Marx hatte ihn erschossen. Ein Wutschrei ließ die Bäume erbeben.
    »… Amen! «, zischte Ambrosius und zerrte seine Begleiterin zum Stollen.
    An die folgenden Stunden erinnerte Sophie sich später wie an einen Alptraum. Sie rannten ohne jedes Licht in das Bergwerk hinein. Der Boden senkte sich, sie glitten auf dem Fels, der bald knöcheltief mit Wasser bedeckt war, aus und rappelten sich wieder auf. Schon nach der ersten Tunnelbiegung wurde es stockfinster. Sophie folgte Ambrosius, der vor ihr durch das Wasser platschte und sie keuchend beschwor, sich zu beeilen.
    Dann wurde sie von hinten angerempelt. Marx. Er fiel und riss sie mit zu Boden. »Teufel!«, hörte sie ihn überrascht ausrufen. Der Schacht war mittlerweile so eng geworden, dass er sich bei aller Wendigkeit nicht an ihr vorbeiquetschen konnte, was er sicher gern getan hätte, denn hinter ihnen ertönten Rufe, und es drang sogar ein matter Lichtschein zu ihnen vor.
    »Ich hab Euch gesucht«, stieß Sophie hervor.
    Es interessierte ihn nicht. Er packte sie unter den Armen und drängte sie vorwärts. Sie war für ihn nichts als ein Hindernis, das er loswerden musste. Sie stießen sich die Köpfe und rutschten aus, nur um sofort wieder hochzukommen. Marx war schneller als sie. Er trug sie fast. Plötzlich schob er sie seitlich durch eine Öffnung, die sich in der Stollenwand auftat.
    Ein Seitenstollen – irgendwie so etwas musste es sein. Es wurde noch enger und nasser. Das Wasser stieg bis zu Sophies Knie. Marx schob sie weiter, drehte sie dann plötzlich zu sich um und zwang sie, dicht bei ihm stehen zu bleiben. »Schön leise.«
    »Ich habe Euch gesucht«, wisperte sie.
    Er drückte ihr Gesicht gegen sein Koller, das nach Leder roch und voller Schnüre war. Sie hatte Mühe zu atmen. Nicht weit von ihnen platschte es. Jemand fluchte, dünner Fackelschein blitzte auf und verging wieder. Eine Stimme rief nach jemandem namens Robert.
    »Gesucht?«, wisperte Marx.
    Sie nickte, so gut sie es mit seiner Hand am Hinterkopf konnte.
    »Wir verirren uns. Wir müssen dem Hauptgang folgen, sonst kommen wir hier nicht mehr raus!«, brüllte jemand.
    »Hier vorn ist einer!«
    »Wo denn? Ich seh nichts!«
    »Aber wenn du die Klappe hältst, hörst du ihn.«
    »Ich …«
    »Halt die Klappe, sag ich!« Die Stimmen verstummten und wurden dann, weiter entfernt, wieder hörbar. Die Männer folgten Ambrosius.
    »Du hast mich gesucht?«
    Sophie brachte es fertig, sich zu befreien. »Ihr müsst mir helfen. Mein Kind ist in Gefahr. Edith will es umbringen und Marsilius …«
    »Ach, da schau her: der Hänfling aus der Wildenburg!«, stieß Marx überrascht hervor.
    »Helft Ihr mir?«
    Statt zu antworten, dirigierte er sie weiter. Es ging nun bergab, in eine immer halsbrecherischere Tiefe, über die sie liefen, kletterten oder mit den Hintern rutschten. Gott gib, dass er weiß, wohin er steuert, dachte Sophie angsterfüllt.
    »Und was hab ich damit zu tun?« Marx rempelte sie an, weil sie stehen blieb. Er fluchte, lachte kurz auf und schubste sie weiter.
    »Ich brauche Euch.«
    »Herrgott, wie lästerlich. Ich fühle mich geehrt.«
    »Ich …« Ihr ging auf, wie die Bemerkung gemeint war. Blut schoss ihr ins

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