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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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kam ihr vor wie der Leib eines riesigen Tieres. Es war vollkommen dunkel, aber Wasser plätscherte von der Decke, rann aus den Wänden und gurgelte zu ihren Füßen. Die Männer hatten ihre Fackeln zurückgelassen, zögerten aber niemals, als wäre ihnen das Labyrinth des Bergwerkes bis auf den letzten Gang vertraut. Gelegentlich hielten sie abrupt inne und lauschten – dann hörte Sophie leise die Stimmen ihrer Verfolger, die sich weit weniger gut auszukennen schienen.
    Sobald die Gefahr vorüber war, liefen sie auf leisen Sohlen weiter.
    Ihre Flucht endete bei einem Luftschacht. Sophie bemerkte zuerst ein Seil, das plötzlich zwischen ihnen baumelte, und dann, am Ende einer künstlichen Röhre, einige Sterne. Die Männer packten das Seil und kletterten wie die Affen daran empor. Hier wurde zum ersten Mal deutlich, dass Marx’ Hand Schaden genommen hatte. Er wickelte sich das Seil ums gesunde Handgelenk, brauchte aber seine Kumpane, um sich heraufziehen zu lassen. Als er oben und das Seil wieder herabgelassen war, wand Sophie es sich um die Brust. Julius kontrollierte den Knoten. Sein Profil hob sich scharf gegen den Schacht ab. Einen Moment lang wurde ihr warm vor Zuneigung. Sie hatte nichts für diesen Mann getan, ihn immer nur aufgehalten und sein Leben komplizierter gemacht. Trotzdem half er ihr.
    »Bereit?«, flüsterte er und warf einen Blick den Gang hinab, in dem es allerdings vollkommen finster war.
    Sie griff nach seiner Hand. »Mein Mann hat meine Tochter zu sich geholt. Sie ist auf der Burg in den Händen der Hexe. Ich muss ihr helfen. Und dafür brauche ich Marx. Er soll …«
    »Eure Tochter!«
    »Ja.«
    »Ihr meint den Säugling, den …«
    »Ja doch!«
    »Das ist … gar keine gute Idee.« Er zog am Seil, es gab einen Ruck, und die Fasern schnürten sich in Sophies Brust, während sie langsam empordriftete. Der Luftschacht mündete auf eine matschige Wiese. Mit fliegenden Fingern löste Sophie den Knoten und warf das Seil ins Loch zurück. Marx stand mit dem Rücken zu ihr, sein Gesicht war nicht zu erkennen, aber sie sah ihn befriedigt nicken, als in einiger Entfernung ein Knallen hörbar wurde. Hatte einer seiner Männer etwas zum Explodieren gebracht? Hinter den Baumwipfeln stiegen Funken in den Himmel.
    Julius, der sich neben ihnen aus dem Loch stemmte, lachte grimmig. »Eine weitere Teufelei, ja?«, fragte er, während er sich aufrichtete. »Gibt’s denn …?« Der Satz endete in einem Ächzen, und er stürzte zu Boden. Einer der Männer hatte ihm den Knauf seiner Pistole gegen den Schädel geschlagen. Entsetzt sank Sophie neben dem Bewusstlosen auf die Knie.
    »Das Mädel auch?«, fragte der Rothaarige.
    »Nein, das Mädel nicht!«, fuhr Sophie ihn an.
    Der Mann grinste und tippte sich an die Stirn. »Weiber machen nix als Ärger, ich sag’s nur.«
    » Die hier macht Ärger!«, korrigierte der Mann mit der Pistole.
    Marx drehte sich zu ihnen um.
    »Helft mir gegen Marsilius.« Sophie war egal, dass der Satz wie Betteln klang. »Meine Tochter ist in Gefahr«, fügte sie hinzu, obwohl sie wusste, dass er sich dadurch kaum würde erweichen lassen. Was bedeutete ihm schon ein fremdes Kind? Nach dazu das eines Mannes, der ihn gefoltert hatte. Sie zuckte zusammen. In den Wäldern knallte es erneut – mehrere Explosionen folgten rasch aufeinander. Einer der Männer begann den ohnmächtigen Julius zu fesseln und zu knebeln.
    »Wie fest hast du denn zugeschlagen?«, fragte Marx.
    »Als wär’s ’n rohes Ei, Hauptmann. Er muckt schon wieder, seht Ihr?«
    Sophie hörte Julius durch den Knebel stöhnen, als die Männer ihn auf die Füße beförderten. Sie hakten ihn unter und schafften ihn einen Hang hinab. Niemand protestierte, als Sophie sich dem Trupp anschloss. Schon bald standen sie wieder in einem Wald. Der Mond war hinter Wolken verschwunden, es war unter den Bäumen fast so dunkel wie in dem Bergwerk. Wieder schienen die Männer genau zu wissen, wohin sie wollten. Marx ging voran, die anderen folgten im Gänsemarsch. So waren sie zwei oder drei Stunden unterwegs, ohne dass jemand einen Laut von sich gegeben hätte. Julius taumelte gelegentlich, hielt sich aber die meiste Zeit auf den eigenen Füßen. Irgendwann wurde der Wald wieder lichter, und sie blieben stehen. Sophies Knie zitterten. Da ihre Beine kürzer waren, war sie fast die ganze Zeit gelaufen.
    »Geht allein weiter«, befahl Marx seinem Gesindel. Die Männer packten Julius und gehorchten. Einer zwinkerte Sophie zu, bevor er

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