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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Jungfrau, war sie hungrig! Sie ließ es sich auch nicht nehmen, die verwirrte Frau zu umarmen, bevor sie den Dienstboten ins Freie folgte.
    »Valerie!«, stieß Marx hervor. Sie ritten über einen Ackerweg, an dessen linker Seite der Wald wie eine Wand aus schwarzen Säulen stand. Seine Vorwürfe, als ihm aufging, dass sie im Haus gewesen war, hatten sie kaltgelassen. Sie mochte mit dem Mann im Moos gelegen haben, die Umstände hatten sie zusammengeschmiedet, aber das hieß noch lange nicht, dass er Macht über sie besaß. Wie merkwürdig – der Gedanke, dass der Mann an ihrer Seite keine Macht über sie besitzen könnte. Alle wichtigen Entscheidungen ihres Lebens waren bisher von Männern getroffen worden. Jetzt tat sie, was sie wollte, und wenn sie es nicht wollte, ließ sie es sein. Das war beängstigend, aber auch berauschend.
    »Was ist?«, fragte sie. »Der Ritt hat sich gelohnt. Du hast vermutet, dass Heinrich eine Liebste hatte – und findest es bestätigt. Heinrich wurde ermordet. Marsilius, der mit Conrad verwandt ist, besorgte einen falschen Zeugen, der dich beschuldigte, diesen Mord begangen zu haben. Und als er dir ein Geständnis abpressen wollte, hat Edith den Namen Conrad genannt. Der Junge ist also in das Verbrechen verwickelt, das möglicherweise begangen wurde, weil Conrad auf Heinrich eifersüchtig war.«
    »Und Julius hilft dem Mörder.«
    »Und Julius wurde irgendwie getäuscht! Elisabeth sagt, Conrad hat ein Studium aufgenommen. In Dortmund oder Köln. Lass uns dorthin reiten.«
    »Ein Studium?«
    »Zumindest kam es ihr so vor.«
    »In Dortmund gibt es keine Universität.«
    »Dann ist es noch einfacher. Wir reiten nach Köln. Wir ringen dem Jungen ein Geständnis ab.« Und damit werde ich Marsilius vernichten – und meine Tochter befreien. Sophie hielt ihr Gesicht in den Wind, der ihre Haare durcheinanderwirbelte. Sie war stark. Jedenfalls in diesem Moment.
    Marx erklärte ihr, dass sie durch die Berge reiten müssten, denn zwischen Köln und Rheinkassel stand ein Heer. Und ein Heer, erklärte er, inzwischen wieder besserer Laune, sei etwas Ähnliches wie ein Lindwurm. Man ging ihm als Privatmensch tunlichst aus dem Weg. Aber schließlich stießen sie doch auf den bunten Menschenzug, der vor ihnen die Rheinauen bevölkerte. Weiße Zelte sprossen an beiden Ufern des Flusses, dazwischen standen Karren mit Planen und andere mit hölzernen Dächern. Pferde und Schlachtvieh grasten in provisorischen Pferchen. Sophie sah Tische und Stühle, als wären die Rheinufer sittsame Bürgerstuben. Und in dieser Szenerie tummelten sich unglaublich viele Menschen. Männer natürlich, aber mindestens ebenso viele Frauen und Kinder.
    »Sind es Schweden?«, fragte sie beklommen. Sie wusste ja nicht viel vom Krieg, aber sie hatte natürlich die Pamphlete gesehen, die ihr Vater mit heimbrachte und in denen die Schandtaten des schwedischen Löwen aus Mitternacht beklagt wurden. Einmal hatte auch eine Karte auf dem Esstisch gelegen, auf der unzählige Stadtsilhouetten eingetragen waren – jede von ihnen war von den Schweden verheert worden, unter schlimmsten Grausamkeiten.
    »Ich schätze, Franzosen oder Niederländer.«
    »Was wollen sie? Köln angreifen?«
    »Kaum.« Marx grinste kühl. »Die Stadt ist uneinnehmbar.«
    »So wie Magdeburg?«, fragte Sophie. Ihr Vater hatte mit den Nachbarn und Freunden natürlich über den Fall der Stadt geredet. Wenn die Frauen hinzukamen, wurde das Thema gewechselt, aber sie hatte doch einiges von den Grausamkeiten aufgeschnappt, die dort begangen worden waren. Entsetzlich! Obwohl hier natürlich die katholischen Truppen gehaust hatten. Die Söldner der gegnerischen Truppen standen einander offenbar in nichts nach, wenn es darum ging, die Bevölkerung zu malträtieren.
    Wenn man sich das Heer anschaute, das eine halbe Meile vor ihnen lagerte, konnte man das allerdings kaum glauben. Dort flatterte Wäsche im Wind, am Rheinufer saßen Kinder, die angelten. Buben, kaum dem Gängelband entwachsen, striegelten Pferde und schleppten Holzeimer und Käselaiber. Was mochten diese ganz gewöhnlichen Leute fühlen, wenn Städte erobert oder Dörfer geplündert wurden und sie die Schreie der Sterbenden hörten?
    Sie musste die letzte Frage laut ausgesprochen haben, denn Marx sagte: »Wenn die Schlacht vorbei ist, fallen nicht nur die Söldner, sondern der gesamte Tross über die Besiegten her. Die Frauen und Kinder plündern mit den Männern Seite an Seite. Du siehst da eine

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