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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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es aufsuchen und sehen, ob die Freiherrin zurückgekehrt war. Und dann würde sie ihr erzählen, was die Hexen getan hatten, und …
    Ein Ast brachte die rennende Frau zum Stolpern und unterbrach ihre verworrenen Gedanken. Sie war über ein morsches, vom Wind in ihren Weg getriebenes Stück Holz gestürzt – aber das wunderte sie nicht. Der Wald gehörte den Hexen. Die Weiber trieben dort ihren Mutwillen. Aber das würde die Frau nicht daran hindern, zu Sophie zu gehen.
    Und sie mit sich in den Abgrund reißen.

   ie Besitzerin des Gutes Herbede hieß Elisabeth und war Heinrichs Mutter. Marx sprach nur flüchtig von ihr, als wäre sie nicht besonders wichtig. Ihr gehörten etliche Höfe und Dörfer, vier Fischteiche, natürlich Grundbesitz – und das burgähnliche Gemäuer, vor dem sie nun ihre Pferde zügelten. Es war ein imposantes Vierflügelgebäude aus grauem Stein mit einer Art Vorburg für Handwerks- und Lagerstätten, das wehrhaft wirkte, aber zugleich von Bäumen, Gärten und Äckern umgeben war, so dass es im Sommer einen heiteren, friedvollen Anblick bieten musste. Jetzt blätterte Weinlaub von den Hauswänden. Durch ein Tor konnte man einen Blick auf den Innenhof erhaschen, wo ein dünner Mann damit beschäftigt war, die Polster eines Reisewagens auszubürsten.
    Von hier also ist Heinrich von Elverfeldt zu seiner letzten tödlichen Reise aufgebrochen, dachte Sophie, während sie die Arme vor ihrer Brust kreuzte. Einen Moment meinte sie ihn durch den Torbogen reiten zu sehen. Einen jungen, schwärmerischen Mann, der vielleicht verliebt war, auf jeden Fall aber voller Pläne, wenn Marx ihn richtig beschrieben hatte.
    »Komm.« Marx drängte sie vom Weg an eine Stelle, wo ein sauberer Schuppen aus frischem, hellem Holz ihnen Sichtschutz bot. »Du wartest hier. Genau an diesem Platz. Gut möglich, dass wir uns beeilen müssen, wenn ich zurückkehre.«
    »Gewiss«, erwiderte sie folgsam.
    Er sprang von seinem Schimmel. Ihr die Zügel in die Hand zu drücken hielt er für überflüssig – sein Pferd würde sich nicht von der Stelle rühren, bis er zurückkehrte. Sophie sah zu, wie er durch Büsche und ein Rosenbeet lief und dann an einer schwer einsehbaren Stelle das hölzerne Gerüst des Weinlaubs erklomm. Trotz der Behinderung durch die Kralle war er erstaunlich geschickt.
    Als er verschwunden war, band sie ihr eigenes Pferd, das schlechter erzogen war, an einem Ast fest. Sie tätschelte ihm den Hals, bevor sie sich aufmachte. Anders als Marx wählte sie keine Umwege. Sie betrat die Vorburg und sah, dass der Mann beim Reisewagen ihr den Rücken zukehrte. Auch sonst war keine Menschenseele zu sehen. Rasch lief sie über die Brücke und einen überwölbten Toreingang in den Innenhof des Herrenhauses. Er war klein und wurde von den hohen Mauern des Wohnhauses, die ihn einschlossen, fast erdrückt. Rechts von ihr gab es einen gemauerten Brunnen, an der linken Seite mehrere Blumenkübel voller schwarzer Erde, vor ihr eine von Säulen eingefasste Fensterfront, über der je zwei Wappen und zwei Menschen als Relief abgebildet waren – wahrscheinlich die ersten Besitzer der Burg.
    Sophie wandte sich zu einer Tür zwischen den Blumenkübeln. Marx wollte nach Conrad suchen, um ihn zur Rede zu stellen. Gut, das war vernünftig. Aber sie selbst würde sich an die Hausherrin halten. Denn waren es nicht die Frauen, die am besten wussten, was in den Häusern vor sich ging? Frauen waren das Herz einer Familie. Bei ihnen liefen die Fäden zusammen. Man vertraute ihnen Dinge an und suchte ihre Nähe, wenn es um Gefühle ging. Sie war überzeugt: Wenn Heinrich heimlich Pläne geschmiedet hatte, würde seine Mutter am ehesten davon wissen. Auch von Eifersüchteleien zwischen den Cousins hätte sie wahrscheinlich erfahren.
    Als Sophie die Tür aufdrückte, fiel ihr plötzlich auf, wie zerrissen ihre Kleider und wie schäbig ihr Mantel war und wie wenig ehrbar sie aussah. Was, wenn man sie gleich wieder hinauswarf? Unsicher schaute sie sich in dem Raum um. In Vasen auf einem Tisch und auf diversen Schränken blühten die letzten Herbstastern. Ölbildnisse in warmen, dunklen Farben hingen an den Wänden. Sie zeigten steife Gesichter, sicher Vorfahren, die prüfend in das Zimmer hinabblickten. Ein eisernes Kamingitter lehnte an der Wand, halb geputzt, als wäre die Magd bei ihrer Arbeit unterbrochen worden. Auf einem Tischchen stand ein Korb, der unordentlich mit Stickereien gefüllt war.
    Sie öffnete eine der Türen

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