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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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seinen
zwei Jahre älteren Bruder, der ihm einfach verbot, das zu tun, was er am meisten
begehrte.
    »Warum solltest du das Recht haben, das zu verteidigen, was du liebst,
und ich nicht?«, schrie er Maximilian hinterher. Eine Antwort blieb aus. Er setzte
zum Spurt an und schubste seinen Bruder in den aufgeweichten Schlamm. Einige Hunde
schlugen an, sie waren nur noch wenige Meter von ihrem Haus entfernt. Maximilian
raffte sich sofort wieder auf und schoss auf Lorenz zu. Das Klatschen der Ohrfeige
durchzog die Straßen der kleinen Stadt und hallte in den engen Gassen mit den hohen
Fachwerkhäusern wider. Wie vor wenigen Minuten der Bürgermeister und der Pfarrer,
standen sich nun die Brüder Auge in Auge gegenüber.
    »Weil es reicht, dass unsere Familie einen Sohn verlieren wird!«, zischte
Maximilian. Doch sogar nach diesem kurzen Ausbruch konnte Lorenz die Milde und Sanftmütigkeit
in den stahlblauen Augen seines Bruders erkennen. Innerhalb von wenigen Sekunden
wich die Wut.
    »Ich werde mich melden«, sagte er schließlich.
    »Vater wird dich grün und blau prügeln«, entgegnete Maximilian.
    Die Augen von Lorenz verengten sich zu Schlitzen.
    »Dich etwa nicht?«
    Ohne seinen Bruder eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er in die
Schmiede.
     
    Sie mussten ein jämmerliches Bild abgeben. Durchnässt vom Regen, das
Gesicht gerötet, die Kleidung von Schlamm überzogen. Der Vater musterte die beiden
von oben bis unten, erhob sich dabei nicht von seinem breiten Holzstuhl, der bei
jeder Bewegung knarrte. Sie rechneten mit einem von seinen Ausbrüchen, einer minutenlangen
Predigt, doch es kam anders.
    »Seht euch an, völlig durchgefroren.«
    Erst jetzt spürte Lorenz die Kälte in sich hochkriechen, die seinen
Körper bereits völlig ausgekühlt hatte. Seine Lippen zitterten. Instinktiv wandte
er sich zur Feuerstelle. Der Ofen knisterte und warf ein unstetes Licht in das Wohnzimmer
der Familie, als sein Vater nur leicht den Kopf schüttelte.
    »Setzt euch und nehmt einen Tee«, sagte er mit einer angedeuteten Handbewegung
in Richtung des Kessels. Nachdem die Brüder sich mit einer dampfenden Tasse versorgt
hatten, nahmen sie am Tisch Platz.
    »Ich nehme an, dass ihr auf dem Marktplatz zugegen
wart, um euch dieses Schauspiel anzusehen?«, fragte er leise.
    Die Brüder nickten.
    »Es wurde mir zugetragen, was dort passiert ist.« Josef schnaubte verächtlich.
»Dannen und Tillmann. Zwei Männer in ihrer Position sollten es besser wissen und
sich nicht vor der gesamten Gemeinde ankeifen wie kleine Mädchen, die sich um eine
Puppe streiten.«
    Nur kurz erlaubten sich die Brüder zu schmunzeln. Dann nippten die
drei Männer bedächtig an ihrem Tee.
    »Ihr habt doch nichts Törichtes vor, oder?«, fragte Josef schließlich.
    Diesmal war es Lorenz, der das Wort ergriff. »Nein, Vater.«
    »Das ist gut«, sagte der Schmied nickend, seine Söhne nicht aus den
Augen lassend. »Wir haben in den nächsten Wochen eine ganze Menge Arbeit vor uns
und ich würde es gar nicht begrüßen, eine Arbeitskraft zu verlieren, weil ich einen
von euch einsperren muss.«
    Die Brüder wussten, dass er es ernst meinte, und nickten.
    »Und nun wascht euch und geht ins Bett.«
     
    Auch wenn sein Körper ihn vor Erschöpfung anschrie, war sein Geist
wach und arbeitete unentwegt, um die Geschehnisse des Tages einzuordnen. Mit Maximilian
hatte er kein Wort mehr gewechselt, und bereits nach wenigen Minuten hörte er das
gleichmäßige Schnarchen seines Bruders. Die Bettdecke über den Kopf ziehend, war
er nun mit sich und seinen Gedanken allein. Er atmete tief und versuchte sich den
Duft vorzustellen, den Antonella an diesem Abend getragen hatte. Obwohl die schlimmsten
Befürchtungen der Bürger Kempens wahr geworden waren und er eine Entscheidung zu
treffen hatte, die für immer zu einem Bruch mit seiner Familie führen könnte, schlief
er glücklich ein.
     
    Mir ist kalt, eiskalt. Die kleinste Bewegung schmerzt. Mit jedem Atemzug
ist mir, als würde ich Nadeln einatmen. Um mich herum ist nur blendendes Weiß. Doch
es ist nicht das prachtvolle, majestätische Weiß von frisch gefallenem Schnee, es
ist unbarmherzig, scharf und rau. Meine Fußsohlen scheuern sich bei jedem Schritt
weiter auf. Ich schlinge meine Arme um mich selbst, doch keine Wärme scheint meinen
Körper berühren zu wollen. Der Boden ist von Eis bedeckt und jeder Schritt hinterlässt
eine grauenvolle Pein. Trotzdem gehe ich weiter, ich kann nicht mehr zurück. Durch
die weiße

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