Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
sprechen.
Ich werde den ganzen Tag dort sein.«
Die Brüder nickten, ohne ihrem Vater in die Augen sehen zu können.
Die gestrige Lüge saß in ihnen wie ein Stachel, den sie noch nicht bereit waren
zu entfernen.
»Wir werden in den nächsten Tagen viel Feuerholz brauchen. Aus diesem
Grund bleibt die Schmiede heute geschlossen und ihr werdet den Holzspeicher auffüllen.«
Er griff nach einem Becher und nahm mehrere große Schlucke. Dann lehnte
er sich zurück, der Holzstuhl stöhnte unter seiner Last.
»Max, Lorenz, habt ihr mich verstanden?«
»Ja, Vater«, antworteten sie einstimmig.
»Und ihr«, sein Blick wanderte zu seinen jüngsten Kindern, die ihn
aus großen, immer wachen Augen anstierten, »helft brav eurer Mutter. Dass mir keine
Klagen kommen.«
Eifrig nickten die Kleinen. Lorenz konnte nur erahnen, was in seinem
Vater vorgehen mochte. Sicherlich, die drohende Schlacht spülte einen satten Gewinn
in die Kassen des Schmiedes, aber zu welchem Preis? Wie Lorenz, würde sich auch
der Vater denken können, was passierte, wenn Guébriants französische Bastarde nicht
von den Kaiserlichen Truppen aufgehalten werden konnten. Eine Armee braucht Nahrung,
Unterkunft und Waffen, es war nicht schwer zu erraten, was ihr erstes Ziel sein
würde, sollte es nach der Schlacht an einem von diesen Gütern mangeln.
Josef brach gleich nach dem Frühstück auf. Das Quartier des Hauptmannes
war hinter der Landesburg gelegen, ein Fußmarsch von gut fünfzehn Minuten. Nur zu
gern hätte Lorenz den Verhandlungen über Waffen, Schilde und Musketen beigewohnt.
Alles war besser als den ganzen Tag Holz zu spalten und dieses in die Schmiede zu
tragen. Er sah sich bereits mit schmerzenden Gliedern am Abend ins Bett fallen und
wünschte, dass dieser Tag schon vorüber wäre. Zumindest hatte er so die Gelegenheit,
mit Maximilian zu sprechen, obwohl ihm auch diese Vorstellung nicht wirklich behagte.
Den letzten Bissen Brot kauend, griff er zu seiner Axt und trat den Weg in die Schmiede
an, ohne auf seinen Bruder zu warten. Mechanisch und tief in den Traum der vergangenen
Nacht versunken, überprüfte er den Zugkarren. Dabei registrierte er gar nicht, dass
Maximilian bereits eine ganze Zeit hinter ihm stand.
»Tut es noch sehr weh?«
Erschrocken fuhr Lorenz um. »Was tut sehr weh?«
Maximilian ließ sich Zeit. Die Worte gingen ihm nicht leicht über die
Lippen. »Deine Wange. Nun, wegen der Backpfeife gestern«, stammelte er.
Fast belustigt, welche Scham sein Bruder zeigte, winkte Lorenz ab.
»Schon vergessen. Und außerdem hab ich dich ja ganz schön erwischt.«
Jetzt war es Maximilian, der die Stirn in Falten legte und die Hände
in die Hüften stemmte. »Du willst mich erwischt haben? Ich hab dich kommen gehört,
ich bin nur ausgerutscht, ansonsten wärst du in den Schlamm gefallen.«
Die beiden sahen sich einen Moment lang grinsend an.
»Komm, ich helfe dir mit der Karre«, sagte Maximilian schließlich.
Während sie die Äxte schulterten und gemeinsam
die Karre aus der Schmiede zogen, ließen sie ihre Blicke über die hauchdünne Schicht
aus Schnee schweifen. Das gefallene Weiß ließ die ersten Sonnenstrahlen glitzern
und den Tag noch ein wenig heller wirken. Aufmerksam beobachteten sie die jetzt
schon herrschende Geschäftigkeit. Die Bewohner der Stadt waren früh am Morgen bereits
auf den Beinen und hinterließen bei jedem Schritt im Schnee einen braunen, matschigen
Fußabdruck. Seitdem die Nachricht über die baldige Schlacht in Kempen eingetroffen
war, nahm die Betriebsamkeit in den Straßen zu. Einige wenige packten bereits ihre
Habseligkeiten zusammen und spannten sie hinter ein Pferd oder luden sie auf ihre
eigenen Rücken. Doch es waren die wenigsten, die die gefährliche Flucht vor dem
drohenden Unheil auf sich nahmen. Wohin sollten sie auch gehen? Der Krieg dauerte
bereits Jahre, und die europäischen Kriegsfürsten machten Städte und Gemeinden der
gesamten Region zu einem Tummelplatz der Gewalt. Lorenz und Maximilian sahen den
armen, schwer bepackten Verzweifelten zu, die versuchten, dem Krieg zu entrinnen.
Sie konnten weglaufen, ihm aber bestimmt nicht entkommen. Nein, es war besser hier
auszuharren und zu hoffen, dass die Schlacht glimpflich an ihnen vorbeigehen möge.
Genau dieser Gedanke war es, der Lorenz an das gestrige Gespräch erinnerte.
»Max, weißt du, wegen gestern …«, doch er wurde von einem tiefen Grollen
unterbrochen.
»He, die Eisenklopper!«, tönte es den beiden entgegen.
Vor der
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