Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
herrschte sie eine raue Stimme an.
Stampfend schritt der Hauptmann der Stadtwache zu der Gruppe und schubste
den ein oder anderen, der nicht schnell genug seinen Befehl ausführte, in Position.
Seine Stiefel waren mit Dreck überzogen, lediglich die helle Wolle der herausragenden
Stulpen war noch sauber. Sein rot-schwarzer Waffenrock wippte bei jedem Schritt
über seine Knie, genau wie die dunkle Ledermütze, die er sich halb ins Gesicht gezogen
hatte. Mit der linken Hand hielt er den Säbel fest im Griff, während die rechte
wild den Mannen ihren Platz zeigte. Begleitet wurde er von drei Soldaten in ähnlicher
Kleidung und von noch mal vieren, die einen Karren hinter sich herzogen. Als die
Freunde sich einen Platz in der Reihe gesucht hatten, zog der Tross der Soldaten
an ihnen vorbei. Die Karre war voll beladen mit Waffen jeglicher Art. Musketen,
Säbel und Dolche schepperten in die Nacht hinein und zogen die Blicke der Freiwilligen
auf sich. Auf der Höhe der Brüder stoppte der Hauptmann schließlich und ließ seinen
Blick über seine Rekruten schweifen. Jetzt konnte auch Lorenz den Mann näher in
Augenschein nehmen. Sein akkurat geschnittener Ziegenbart und der kurze Haarschnitt
ließen auf eiserne Disziplin schließen. In den dunklen Augen, die tief in den Höhlen
vergraben waren, erkannte Lorenz keine Regung. Die Haut unter seinen Augen war grau,
beinahe schwarz. Lorenz erinnerte sich daran, einmal gehört zu haben, dass er in
der Kaiserlichen Armee gedient hatte, mehr wusste anscheinend niemand über den Hauptmann.
Die vielen kleinen Narben in seinem Gesicht schienen diese Annahme still bestätigen
zu wollen. Doch längere Zeit mit ihm unterhalten hatte sich offenbar nur der Bürgermeister.
Und Vater, am gestrigen Tage. Wenn es keine Prügelei in der Stadt gab, sah man ihn
üblicherweise nicht auf den Straßen. Der Hauptmann war ein angesehener, jedoch kein
viel gesehener Mann. Ein schneidiger Mann, dem selbst der größte Trunkenbold Respekt
zollte und kein Wort widersprach. Er patrouillierte mit seinen Männern, bildete
sie aus, oder wies einen von ihnen zurecht. In der übrigen Zeit war er unsichtbar,
zog sich in einen der Türme oder in sein Quartier zurück. Und nun stand er vor ihnen.
Abschätzend, musternd, abwiegend.
»Wenn ihr hier seid«, schrie er so laut und durchdringend,
dass man es selbst im Stadtinneren noch hätte hören können, »nur um euren Sold einzustreichen,
werdet ihr sterben! Wenn ihr hier seid, nur um eine Muskete abzustauben, werdet
ihr sterben!« Mit verschränkten Armen ging er ein paar Schritte die Linie entlang.
»Wenn ihr hier seid, nur um ein kleines Abenteuer zu erleben, dann werdet ihr sterben.
Nur wenn ihr auf meine Befehle hört und diese ausführt«, der Hauptmann senkte seinen
Kopf, ohne die Männer aus dem Blick zu lassen. Seine Augen lagen nun im Schatten,
es schien, als würde er jeden Einzelnen von ihnen anschauen, »habt ihr eine Chance,
zu überleben.«
Jakob lehnte sich unmerklich zu Lorenz hinüber. »Ups, erwischt.«
Die Brüder mussten sich ein Lachen verkneifen.
»Wir haben nur wenige Tage, um euch auf das vorzubereiten, was ihr
noch nicht erlebt habt. Was ihr euch nicht einmal in euren schrecklichsten Träumen
vorzustellen vermochtet.«
Er ließ seine Worte einen Moment lang wirken und von den dicken Wällen
zurückwerfen.
»Die französischen und schwedischen Bastarde kennen kein Erbarmen,
wenn sie diese Schlacht gewinnen, werden kein Kind, keine Frau und kein Greis mehr
sicher sein. Zu allem Überfluss haben sie sich mit hessischem Söldnerpack verstärkt!«
In diesem Moment musste Lorenz an Antonella denken. Selbst der Gedanke,
dass ein anderer Mann sie anfasste, ließ Wut in ihm hochsteigen und seinen Kopf
erröten. Die Hände, die eben noch flach an seinen Beinen lagen, ballten sich zur
Faust.
»Zehntausende Mann sind auf dem Weg hierher. Es liegt nun an General
Lamboys Kaiserlichen Truppen, diesen Wahnsinn zu stoppen.«
Der Hauptmann atmete tief und schnellte mit weit aufgerissenen Augen
der Linie entgegen. »Und ihr werdet ihm dabei helfen, dieses Gesindel aus unseren
Landen zu vertreiben.«
In seinen Augen schien nun das Feuer der Hölle zu lodern. Der pure
Hass sprach aus ihm heraus.
»Ist das klar?«, schrie er aggressiv.
»Jawohl, Herr Hauptmann.«
Die Antwort kam vereinzelt und in verschiedener Lautstärke.
»Ich frage, ob das klar ist?« Seine Stimme überschlug sich beinahe.
Etwas Spucke schoss bei jedem seiner Worte mit und
Weitere Kostenlose Bücher