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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Stadt immer
mehr in ihrer Umarmung. Das letzte Stück Eisen zischte, als Josef es in den Wassertrog
legte, dann blickte er auf seine Söhne. Ihre Arme waren übersät von Ruß und ihre
Gesichter war rot vor Anstrengung. Ein paar Sekunden sah er sie wortlos an, dann
zog er seine dicke Schürze aus.
    »Gute Arbeit, Jungs«, murmelte er.
    Maximilian sah die Gelegenheit als günstig an. »Vater?«
    Josef blickte auf.
    »Lorenz und ich wollten heute noch ein Met in der Kneipe trinken, wer
weiß, wie lange sie noch geöffnet hat.«
    Josef ließ sich nur wenige Herzschläge Zeit mit seiner Antwort. Zu
ihrer Verwunderung nickte er kurz und stapfte mit großen, scheppernden Schritten
in die Stube. Einen Moment lang sahen sich die Brüder verwundert an, dann wuschen
sie sich eilig, verpackten ihre Körper in dicke Mäntel und verschwanden in der Nacht.
     
    Den ganzen Tag über hatte der Schnee keine Anstalten gemacht, den Blick
auf den Weg freizugeben. Im Gegenteil, die Spuren, die die Bewohner in ihm hinterlassen
hatten, hatte er einfach wieder weiß gezeichnet. So hinterließen die Brüder mit
jedem Schritt ein knarrendes Geräusch, das, nach dem Lärm in der Schmiede, wohlig
in ihren Ohren klang. Zur südlichen Eingangspassage der Stadt, dem Peterstor, hatten
die beiden es nicht weit. Es hatte seinen Namen vom Gotteshaus St. Peter, der ältesten
Kapelle in der Region. Wenn man durch das Tor einfach gerade herauslief, erreichte
man die Kirche in wenigen Minuten. Auch das Haupthaus mit dem massiven gusseisernen
Tor war mit Schnee bedeckt. Lediglich an den Stellen, wo Öfen ihre Wärme spendeten,
war er nicht liegen geblieben. Die Soldaten grüßten mal mehr, mal weniger freundlich,
als die Brüder das Vortor mit seinen beiden Backsteintürmen erreichten. Hier war
die weiße Pracht nicht haften geblieben, und die Türme ragten wie Pfeiler trotzig,
rötlich braun schimmernd, in den Himmel. Die Zugbrücke vor dem Tor war heruntergelassen
worden, eigentlich unüblich zu dieser späten Stunde, wahrscheinlich ein Erlass des
Hauptmannes. Nachdem sie einige Zeit den bereits festgetrampelten Pfad an der dicken
Stadtmauer entlanggegangen waren, erkannten sie den Treffpunkt sofort. Vor dem Stadtgraben
hatten sich circa fünf Dutzend Männer versammelt, die in leise Gespräche vertieft
waren. Die Brüder erkannten etliche Gesichter, wobei viele Fremde die Gruppe säumten.
Allem Anschein nach war das Angebot des Bürgermeisters auch in den anderen Gebieten
verbreitet worden. Sie hatten Fackeln entzündet und diese großzügig in den Boden
gerammt. Das ganze Feld war nun in ein gespenstisches, dunkles Rot getaucht. Sogar
die friedvolle und Sicherheit spendende Turmmühle wirkte nun wie ein bedrohliches
Monster, das alsbald seine Flügel ausstrecken und sie angreifen könnte. Der Umstand,
dass sie damals auf einer dreigeschossigen Bastion errichtet worden war und jetzt
die übrigen Gebäude Kempens überragte, verschlimmerte diesen Eindruck noch. Das
am Tage braune und undurchschaubare Wasser des Stadtgrabens war nun erfüllt von
tanzenden Lichtern, die sich klar widerspiegelten. Bei jedem Windhauch schien das
Licht zu zucken, als ob es sich nicht entscheiden könnte, ob es brennen oder erlöschen
sollte. Selten zuvor hatten die beiden so eine Szenerie erlebt.
     
    Als sie sich der Ansammlung näherten, wurden sie bereits von ihren
Freunden in Empfang genommen. Während sich die Brüder in die Mäntel gruben, trug
Jakob nur seine geliebte Weste, die er sich allerdings in die Leinenhose gestopft
hatte.
    »’n Abend, Eisenklopper«, sagte er für seine Verhältnisse leise. Ratte
stand hinter ihm und konnte den Blick nicht von der gespenstischen Turmmühle nehmen.
    »Also hier werden die Franzosen sicher nicht durchbrechen«, sagte er
bei der Begrüßung. Einen Moment verharrten die vier in dieser Position, und tatsächlich
sah das Bollwerk so aus, als könnte es jedem Angriff trotzen. Dann wandte auch Ratte
das Gesicht zu den Brüdern.
    »Ihr seht müde aus.«
    »Mussten den ganzen Tag arbeiten«, entgegnete Maximilian kurz angebunden.
»Vater hat alle Aufträge angenommen, die er kriegen konnte.«
    Ratte streckte sich genüsslich und ließ dabei die Knochen seines Rückens
knacken.
    »Wir haben bis eben geschlafen«, sagte er halb im Gähnen.
    Mit einem Lächeln auf den Lippen schüttelten die Brüder ihre Köpfe.
    »Ihr habt echt nur Flausen …«, doch Maximilians Worte wurden schneidend
unterbrochen.
    »In einer Reihe aufstellen!«,

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