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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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gequetscht und spürten das entspannte
Atmen ihrer eingepackten Körper. Er streichelte ihre Hand.
    »Warum willst du? Was erwartet dich dort?« Ihre Worte waren zaghaft
und doch voller Verbitterung. Ruhig hatte sie die Nachricht aufgenommen, dass sie
morgen schon marschieren würden. Lorenz hatte beinahe das Gefühl, dass sie damit
gerechnet hatte.
    »Dort erwartet mich nichts, aber hier gibt es zu viel, was ich nicht
verlieren möchte.« Kurz zögerte er, dann strich er mit der rechten Hand über ihre
Wange. »Viel zu viel.«
    Sie legte ihre Hand auf seine und lächelte ihn an. »Wäre es dann nicht
besser, wenn du hier wärst und verteidigst, was dir lieb ist?«
    »Ich würde mir wünschen, dass es so einfach wäre. Aber so weit will
ich es nicht kommen lassen. Der Feind muss in der Ferne gestoppt werden, damit kein
Unheil über die Stadt hereinbricht. Stehen die Truppen erst mal vor Kempen, könnte
es Jahre dauern, bis sie abziehen.«
    Sie kannte die Antwort bereits, bevor er sie ausgesprochen hatte. Zärtlich
legte sie eine Hand um seinen Nacken und zog Lorenz zu sich heran. Kurz bevor sich
ihre Lippen trafen, stoppte sie.
    »Wenn es einen Gott gibt, dann schickt er dich zu mir zurück.«
    »Er wird mich zu dir zurückschicken, dessen bin ich mir sicher.«
    Ihre Lippen waren wie Balsam auf seiner Seele.
Jeder Gedanke an den Krieg, das Schreckliche, was kommen mochte, wurde in diesem
Moment verdrängt. Lorenz lehnte sich an ihre Schulter, und während sie gedankenverloren
in die Glut starrte, blickte er in die Spiegelung des Feuers in ihren Augen, die
das Braun rötlich schimmern ließ. Auch wenn die Müdigkeit ihn immer tiefer herab
in ihren Schoß zog, blieb er wach, nur um sich ihr Antlitz weiter einzuprägen.
    »Wenn es einen Gott gibt, dann darf ich diesen Anblick sehen, bis ich
sterben muss«, flüsterte er schließlich.
    »Wenn du zurückkommst, dann wird er dir diese Bitte gewähren.«
    Ihre Blicke trafen sich erneut. Sanft strich sie über seine Haare.
»Und wenn nicht, dann haben wir noch die Ewigkeit des Himmels vor uns«, wisperte
Antonella. Dann wandte sie ihre Augen zurück auf den kleinen Ofen. »Schließlich
kann nicht jeder Mensch im Leben glücklich sein. Aber vielleicht im Tod.«
    »Ich bin es jetzt bereits«, wisperte Lorenz.
     
    Er brachte sie noch bis zum Haus des Bürgermeisters
und genoss jede Sekunde, in der er mit ihr zusammen war. Erst, als der Duft ihrer
Haare auch in seiner Nase verflogen war und der Geschmack ihrer Lippen vom eisigen
Wind weggeweht wurde, kamen die Gedanken an den heutigen Tag zurück. Absichtlich
ließ er sich Zeit mit dem Weg nach Hause. Der Boden war nun so aufgeweicht, dass
die Steine des Kopfsteinpflasters wahllos durcheinander lagen. Er machte einen Umweg
über den Marktplatz, an dem immer noch die riesige Bühne aufgebaut war. Dann fiel
sein Blick auf die Kirche mit ihren verzierten Gläsern und geschwungenen Ornamenten.
Lorenz senkte den Kopf und schloss die Augen. Im stillen Gebet dachte er über die
gesprochenen Worte nach. Nein, nicht jeder Mensch konnte glücklich sein auf dieser
Welt. Es wird immer Bettler und Könige, arm und reich, glücklich und unglücklich
geben. Wieso sollte der Allmächtige ausgerechnet ihn auswählen, ein glückliches
Leben zu führen? Er konnte sich diese Frage nicht beantworten. Es war wieder einmal
Antonella, die ihm Hoffnung schenkte. Wenn nicht in diesem Leben, dann in der Ewigkeit.
Auch wenn er sich bewusst war, dass er sich an diesen Gedanken klammerte wie ein
Bergsteiger an einen Felsvorsprung, gab er ihm doch Hoffnung. Langsam öffnete er
die Augen und blickte hoch. Dorthin, wo die Ziegel des Kirchendaches spitz zuliefen
und ein Kreuz den höchsten Punkt der Stadt markierte, dorthin, wo die dunklen Wolken
flüchtig vorbeiliefen, dorthin schickte er seinen frommen Wunsch, dass er mit Antonella
zusammenbleiben dürfe. Entweder auf dieser Welt oder in einer anderen.
     
    Die Stille, die sich über den Marktplatz gelegt hatte, wurde durch
ein Klirren unterbrochen, das von den eng anliegenden Fachwerkhäusern hallend zurückgeworfen
wurde. Als Lorenz sich umblickte, sah er eine Gestalt in der Dunkelheit, die sich
aufzurichten versuchte. Schimpfend schlug sie mit der Faust in die zerbrochenen
Scherben eines Kruges. Nur Sekunden später entdeckte ihn die Gestalt.
    »He, du da! Ihr habt nicht noch zufällig ein paar Humpen Met für mich?«,
lallte es ihm entgegen.
    Diese Stimme kam ihm bekannt vor. Doch gewöhnlich war diese

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