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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Richtige Arzneien aus der Stadt.«
    Für einen kurzen Moment meinte Lorenz Panik in Antonellas Augen zu
lesen. Deutlich wurde er seiner eigenen Ängste erinnert. Seine Pupillen weiteten
sich, als ihm siedend heiß etwas einfiel: »Hast du etwas von meiner Familie gehört?
Weißt du, wie es Max geht?« Seine Stimme war hektisch, überschlug sich beinahe.
Sie schwieg, den Blick zu Boden gerichtet.
    »Antonella, bitte, so sag doch etwas.«
    Waren es eben Tränen der Freude, so verließen sie jetzt aus Trauer
ihre Augen. Langsam suchten sie sich den Weg über ihre Wange, bis sie schließlich
zu Boden fielen.
    »Ich kann es dir nicht sagen, Lorenz. Ich weiß es einfach nicht.«
    Als die Erinnerungen an jene Nacht wieder geweckt wurden, schlug sie
die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. Nur schluchzend konnte sie mit gebrochener
Stimme weitersprechen.
    »Sie … sie haben ihn getötet, Lorenz.«
    Es war, als würde sein eigenes Herz mitweinen, als er Antonella sah.
Auch seine Stimme klang nun brüchig. »Wen getötet?«
    Doch sie konnte ihm keine Antwort geben, zu stark war ihr Wimmern,
zu klar waren die Erinnerungen, zu sehr schmerzte der Gedanke an diese eine Nacht.
Liebevoll legte Lorenz seine Finger unter ihr Kinn und drückte zärtlich ihr Gesicht
nach oben. Ihre roten, blutunterlaufenen Augen waren nun auf einer Höhe mit seinen.
    »Sag mir bitte: Wer hat wen getötet?«
    Ihr Atmen war schnell und gepresst, ihre Stimme leise. »Baier, er hat
meinen Vater ermordet. Hat ihn einfach hinterrücks ermordet und wollte dann mich
…«
    Ein weiteres Mal erstarben ihre Worte und wandelten sich in ein schmerzvolles
Schluchzen. Nur kurz blickte Lorenz in das Feuer.
    »Antonella, es tut, es tut mir so leid … Hast du es melden können?«
    Als Lorenz diese Worte aussprach, brachen bei
ihr alle Dämme. Ihre Beine versagten und sie sackte auf den Boden. Zusammengekauert,
wie sie dasaß, war lediglich ihre von Lorenz gehaltene Hand noch auf der Bettdecke.
Schnell zog er Antonella hoch und nahm sie in die Arme. Er spürte die Wärme und
Feuchtigkeit ihrer Tränen, die langsam seinen Hals herunterliefen. Mit jedem Mal,
das sie an seinem Ohr wimmerte, durchzog ein Schmerz seinen Körper. Doch die Pein
war gleichgültig. Wichtig war nur, dass er Antonella halten konnte. Es dauerte Minuten,
bis der Druck ihrer Umarmung nachließ und sie langsam zu sprechen begann.
    »Baier wollte mir alles anhängen, er sagte den Leuten, dass ich meinen
Vater getötet hätte … es waren so viele Menschen, Lorenz, so viele.« Ihre Worte
waren leise. »Sie alle haben mich gehasst. Alle.«
    Ein weiteres Mal stockte ihre Stimme. »Ich wusste nicht mehr wohin,
da bin ich in die Kirche, habe gehofft, dass Tillmann mir helfen könnte. Doch er,
er … hat es sogar befohlen … er, er …«
    Der Klang ihrer Stimme war beinahe nicht mehr vorhanden, die Worte
drangen nur noch gehaucht an Lorenz’ Ohr. »… wollte sich an mir vergehen. Er hat
geschrien und geschrien, und draußen waren die Massen … sie alle hassen mich, Lorenz,
sie alle.«
    Zärtlich strich er über ihre seidenen Haare. Die Sätze, die er vernahm,
konnten nicht wahr sein.
    »Ich bin gerannt, so viel gerannt, bis meine Füße blutig waren … und
jetzt bist du hier … ich habe es so gehofft: Und jetzt … jetzt bist du endlich hier.«
    Antonella wollte weitersprechen, doch ihre Stimme erstarb. Ein weiteres
Mal schien sie zusammenzubrechen. Lorenz verstärkte seine Umarmung, obwohl das Schwindelgefühl
mit jeder Sekunde zunahm. Gebannt starrte er in das Feuer des Ofens, das sich in
seinen Augen widerspiegelte. Die Flammen schienen auch in ihm selbst zu lodern.
Lorenz spürte, wie ein grausamer Gedanke sich in ihm verfestigte, sich in ihn hineinfraß,
doch er sprach ihn nicht aus.
    »Schhh«, war das Einzige, was er der weinenden Antonella ins Ohr flüsterte,
während er sie im Arm hielt und seine Augen vor Hass brannten.
     
    Für wenige Minuten hatte er das Gefühl, dass die
Wut selbst das Blut in seinem Körper durch die Adern strömen ließ. Nur mühsam konnte
er sich davon abhalten, sofort nach Kempen zu marschieren und den grauenvollen Gedanken
in die Tat umzusetzen. Doch als Antonella ihren Kopf von seinen Schultern nahm und
ihn ansah, vergaß er einen Herzschlag lang seine Rache. Hastig atmend fasste sie
an seinen Kopf.
    »Es blutet«, sagte sie erschrocken. »Du brauchst einen Arzt.«
    Lorenz musste die Augen mehrmals zusammenkneifen, um wieder sehen zu
können.
    »Antonella, wir

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