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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Im Schein des lodernden Feuers wirkte sein Blut dunkelrot. Dann blickte
er zu Boden. Lorenz meinte die Tropfen hören zu können, als sie langsam, aber stetig
auf den Schnee fielen. Dann hob er seinen Kopf und blickte in die erschrockenen
Augen seines Bruders. In der Hand hielt Maximilian zitternd die rot gemalte Klinge
des Säbels. Wie betäubt starrte er mit offenem Mund und schwer atmend in das Gesicht
seines Bruders.
    »Es tut mir leid …«, presste Maximilian hervor. Verzweifelt schüttelte
er den Kopf. »Nein … das kann nicht sein, es … es tut mir so leid, kleiner Bruder.«
    Lorenz nickte lächelnd, dann gaben seine Beine nach. Erst fiel er auf
die Knie, dann mit dem Gesicht in den kühlenden Schnee. Eine Ohnmacht legte sich
über seine Augen. Der Schmerz in seinem Bauch war schrecklich, doch es war sein
Herz, das ihm Höllenqualen bereitete. Behutsam ließ sich Maximilian neben seinen
Bruder fallen, drehte ihn zu sich und legte seinen Kopf auf seine Beine.
    »Ich wollte nicht …«, wimmerte er, »… es wäre dein Tod gewesen. Ich
wollte dich doch nur beschützen.«
    Lorenz blickte auf die verklebten, schwarzen Haare
und seine blauen Augen. Tränen rannen über Maximilians Wangen und fielen auf das
Gesicht seines Bruders. Lorenz spürte die Wärme, selbst durch den Schnee hindurch.
    Vorsichtig strich Maximilian ihm die Haare von der Stirn. Mit einer
Hand drückte Lorenz auf die Wunde. Er versuchte zu sprechen, doch das Blut, das
sich seinen Hals heraufdrückte, ließ ihn lediglich röcheln.
    »Ich … ich.«
    Sein Bruder erahnte, was er zu sagen versuchte. Seine Stimme war nicht
mehr als ein Flüstern.
    »Bitte verzeih mir.« Er beugte sich zu ihm herunter, nahm ihn fest
in die Arme. Lorenz spürte sein schnelles Atmen, die warme Wange an seine gelegt.
    Seine letzten Worte waren beinahe ein Hauchen.
    »Ich wollte dich doch nur beschützen«, stammelte er. »Bitte, gib nicht
auf, bitte … ich liebe dich, kleiner Bruder.«
    Lorenz hörte Maximilian zum ersten Mal diese Worte sagen. Dann legte
Maximilian Lorenz’ Kopf zärtlich in den Schnee und blickte sich Hilfe suchend um.
    Für einen Moment meinte Lorenz Antonellas Stimme zu hören – keine schmerzverzerrten
Schreie –, sanft und scheu drang sie wispernd an seine Ohren. Die Wunde in seinem
Bauch pochte, als er versuchte, dem Feuer etwas entgegenzurufen. Seine Stimme erstarb.
Zu stark waren die Schmerzen. Es war, als würde etwas seinen Hals zudrücken. Die
Pein wurde unerträglich. Lorenz konnte nicht mehr in die Augen seines Bruders blicken.
Dann drehte er seinen Kopf.
    Von den Flammen war sie nun beinahe eingeschlossen. Hell und beißend
loderten sie an ihrem Leib. Sein Blick fiel auf das Silberkraut hinter dem Baum,
das zuckend vom Feuer erfasst wurde und sich im Rot wand. Die Flammen hatten Antonellas
Rock nun vollständig verbrannt und zogen stechend an ihrem Körper. Doch kein Wort
drang mehr über ihre Lippen. Die peitschenden Flammen hatten ihren Augen ein Rot
verliehen wie in ihrer ersten Nacht, an diesem magischen Ort, der der einzige, stumme
Zeuge ihrer Liebe war. Die Blicke der Liebenden trafen sich für einen letzten Wimpernschlag
und sie wussten, dass sie in diesem Moment beide an die Worte dachten, die sie in
ihrem Zufluchtsort zueinander gesagt hatten.
    » … dann haben wir noch die Ewigkeit des Himmels vor uns. «
    Sie beteten still, dass es so sein möge.
    Dann umarmten Antonella die Flammen und Lorenz schloss die Augen. Langsam
senkte sich die Stille über die Lichtung wie in ihrer ersten Nacht.
     
    Ich spüre, wie Tränen meine Wangen herunterlaufen, während ich mit
dir hier stehe und den Blick auf das Vergangene gesenkt habe. Zärtlich streichelst
du meine Hand. Für einen Moment treffen sich unsere Blicke. Du bist ganz ruhig,
ein mildes Lächeln umspielt deine Lippen, während du näher an mich herantrittst.
Dann schaue ich wieder nach unten. War vor wenigen Sekunden noch alles klar und
deutlich, scheinen die Umrisse der Lichtung langsam zu verschwinden und sich hinter
einem hellen Schleier zu verstecken. So viel Schmerz, so viel Pein und Unaussprechliches
mussten wir ertragen. Deine Hand berührt zärtlich mein Gesicht und führt unsere
Blicke zusammen. Du sagst, dass dies nun gleichgültig ist, und zeigst auf die Lichtung
und das lodernde Feuer. Du sagst, dass wir nun zusammen sein werden und dass die
Wunden, die sie uns zugefügt haben, bedeutungslos sind, an dem Ort, wo wir hingehen.
Ihr ganzer Hass ist hier geblieben.

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