Die Hexe von Freiburg (German Edition)
allein. Wenn sie ihr nun etwas angetan hatten? Wenn sie verletzt war, Schmerzen hatte?
Er sah Elsbeth an. «Margaretha Mößmerin und Beate Müllerin sind ebenfalls verhaftet.»
Dann verlor er die Besinnung.
Am nächsten Morgen wurde Catharina mit einem Fußtritt geweckt.
«Aufwachen. Die Herren Inquisitoren sind da.»
Der Wärter löste ihre Fessel und zog sie hoch. Sie musste trotz der Kälte und des widrigen Nachtlagers die letzten Stunden fest geschlafen haben, denn sie fühlte sich mehr bei Kräften als am Vortag. Während sie dem Wärter folgte, klopfte sie sich das Stroh vom Kleid. Die Eisentür stand offen. Catharina betrat den bis auf ein Stehpult vollkommen kahlen Raum, der spärlich von einer Tranlampe erhellt wurde. Drei Männer standen in der Ecke und unterhielten sich, hinter dem Stehpult ordnete der Gerichtsschreiber Papier und Tinte. August Wimmerlin! Dieser unangenehmste von allen Kommilitonen, die Anselm je ins Haus gebracht hatte, war also inzwischen Jurist. Wimmerlin wich ihrem Blick aus. Da trat aus der Gruppe der Richter ein hoch gewachsener, gepflegter Mann mit grau meliertem Haar auf sie zu. Das musste der Untersuchungsrichter sein. Erst auf den zweiten Blick erkannte Catharina ihn: Es war Doktor Textor, den Catharina einige Male im Hause von Jacob Baur getroffen hatte und der vor rund zehn Jahren, nachdem Lehen an die Stadt Freiburg verkauft worden war, den Lehener Herrenhof übernommen hatte. Sie unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung.
«Seid Ihr Catharina Stadellmenin?»
«Aber ja, Doktor Textor, wir kennen uns doch. Von Einladungen in Baurs Haus, bei Margaretha Mößmerin. Ihr kennt doch auch meinen verstorbenen Mann, Michael Bantzer. Wie froh wird Margaretha sein, wenn sie erfährt, dass Ihr die Untersuchung leitet. Wir sind –»
Sie wurde von Wimmerlin unterbrochen. «Soll das alles protokolliert werden, Herr Commissarius?»
«Esel», antwortete einer der Schöffen an Textors Stelle. «Natürlich nicht!»
Catharina war nicht entgangen, dass für einen kurzen Moment ein wehmütiger Zug um Textors Mundwinkel spielte. Dann straffte sich sein Gesicht, und er sagte: «Beantwortet nur meine Fragen, nichts weiter. Ihr seid also Catharina Stadellmenin?»
«Ja, Euer Ehren.»
Sie begriff, dass die Fragen nach einem festgelegten Schema erfolgten, das sie nicht durchbrechen konnte.
«Wie alt seid Ihr, und wo seid Ihr wohnhaft?»
«Ich bin an die fünfzig und wohne im Haus zur guten Stund in der Schiffsgasse.»
«Wie ernährt Ihr Euch?»
«Ich betreibe eine kleine Bierbrauerei.»
«Wo seid Ihr geboren?»
«Hier in Freiburg.»
«Die Eltern?»
«Anna Meierin, wenige Jahre nach meiner Geburt im Kindbett gestorben. Mein Vater war der Maler Hieronymus Stadellmen, gestorben, als ich vierzehn Jahre alt war.»
«Wart Ihr danach in Diensten?»
«Ja, im Gasthaus meiner Tante, Marthe Stadellmenin. Ihr kennt diesen Gasthof, es ist der in Lehen. Und danach war ich Schankfrau im Schneckenwirtshaus.»
«Verheiratet?»
«Ich bin seit einigen Jahren Witwe. Mein Mann war der Schlossermeister und Magistrat Michael Bantzer. Aber das wissen Euer Ehren doch alles?»
«Schweigt! Ihr sollt lediglich beantworten, was Ihr gefragt werdet.»
Diese Worte waren ohne jegliche Schärfe vorgebracht.
«Habt Ihr Kinder?»
«Nein.» Sie spürte, wie sie den Mut verlor. Was für eine aberwitzige Unterredung!
«Direkte Verwandte, die noch am Leben sind?»
«Nein, das heißt, ich weiß nicht recht, was Euer Ehren unter direkten Verwandten verstehen. Ich habe noch Vettern und eine Base.»
«Das interessiert hier nicht.»
Textor gab Wimmerlin ein Zeichen, woraufhin der seine Utensilien zusammenpackte. Grußlos verließen die Männer den Raum, der Commissarius Textor als Letzter. Ohne Catharina anzusehen, ging er an ihr vorbei. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Das konnte doch nicht alles gewesen sein? Sie war überhaupt nicht angehört worden!
Auf dem Weg in ihre Zelle blieb sie an der Stiege stehen und rief nach unten: «Margaretha, Doktor Textor war hier, hörst du?»
Da gab ihr der Wärter einen Stoß in die Rippen. «Keine Unterhaltung mit den anderen Gefangenen. Sonst landet Ihr gleich im Folterturm.»
33
Die Morgensonne zauberte durch die schmalen, mannshohen Buntglasfenster leuchtende Kreise auf den lang gestreckten Holztisch der Ratsstube. Statthalter Johann Jacob Renner, Kopf des ehrsamen Rats der Vierundzwanzig, die sich heute zum Blutgericht versammelt hatten, ging mit
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