Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Knies gebrochen. Er hätte laut losheulen können. Vorsichtig nahm er den Sattel ab und legte ihn in ein dichtes Gebüsch. Es war ein kostbares Stück, und wenn er Glück hatte, würde er ihn auf dem Rückweg noch dort vorfinden. Dann wandte er sich wieder dem schnaubenden Pferd zu. Beruhigend tätschelte er ihm die Nüstern, schob seinen Kopf sanft nach oben und zog seinen Dolch. Mit einem raschen, gezielten Schnitt durchtrennte er die Kehle. Ein Schwall Blut schoss hervor, dann ging ein letztes Beben durch den mächtigen Leib des Pferdes, und seine Augäpfel drehten sich nach oben.
Je näher Christoph der Stadt kam, desto schneller wurden seine Schritte. Er spürte weder die Wunde am Kopf noch seine durchnässten Glieder. Nach dreistündigem Fußmarsch erreichte er das Schwabstor. Es war bereits dunkel, und wie er befürchtet hatte, waren die Tore geschlossen. Mit beiden Fäusten hämmerte er gegen die Pforte des Wächterhäuschens.
«Macht auf, in Gottes Namen, macht auf», rief er so lange, bis sich eine winzige Luke öffnete. Eine rote Knollennase und zwei triefende Augen zeigten sich.
«Was wollt Ihr? Das Tor ist geschlossen.»
Branntweinatem schlug Christoph entgegen.
«Lasst mich in die Stadt, es eilt.»
«He, he – um diese Zeit kommt keiner mehr herein.»
«Um diese Zeit dürftet Ihr Euch auch nicht mit Branntwein voll laufen lassen.»
Mit einem lauten Knall wurde die Luke wieder zugeschlagen, und die Pforte öffnete sich. Mit grimmigem Gesicht trat der Wächter heraus, in der Hand einen schweren Schlüsselbund.
«Also gut. Dann sagt mir jetzt ganz genau, wer Ihr seid und wohin Ihr wollt.»
«Christoph Schiller, Sohn der verstorbenen Marthe Stadellmenin aus Lehen, Besitzer eines Gasthauses in Villingen. Mein Pferd ist mir unterwegs verreckt, deshalb bin ich so spät dran. Jetzt lasst mich durch, ich muss dringend zu meiner Base.»
«Und wer ist Eure Base?»
Christoph wurde ungeduldig. «Catharina Stadellmenin, wohnhaft im Haus zur guten Stund.»
Der Wächter schwankte.
«Stadellmenin Catharina? Ist die nicht heute früh verhaftet worden?»
Christoph starrte ihn entgeistert an. «Was sagt Ihr da?»
«Nichts für ungut, ich kann mich auch täuschen. In der letzten Zeit sind wieder so viele Hexen eingekerkert worden, da kann man sich nicht alle Namen merken. Ihr könnt durch.»
Eingekerkert, Hexe – die Worte trafen Christoph wie Hammerschläge. Er rannte quer durch die stille Stadt, ungeachtet der Dunkelheit und der Schlammlöcher auf den Straßen. Eine völlig aufgelöste Elsbeth öffnete ihm das Haustor. Bei Christophs Anblick fing sie an zu weinen. Dann zog sie ihn in die Küche, wo sie ihm über die Einzelheiten der Verhaftung berichtete.
«Heute Abend könnt Ihr nichts mehr ausrichten. Esst und trinkt etwas, während ich Eure Wunde säubere.»
Nur unwillig ließ sich Christoph von ihr behandeln. Sein Kopf dröhnte, und es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
«Ich weiß, wo der Statthalter wohnt, dieser Renner. Ich gehe gleich bei ihm vorbei. Das Ganze ist doch ein zum Himmel schreiender Irrtum!»
«So, wie Ihr im Moment ausseht, lässt er Euch gar nicht ins Haus.»
«Du hast Recht.» Er sah die Magd scharf an: «Glaubst du, dass Catharina etwas mit Hexerei im Sinn hat?»
«Nein!» Mehr schien sie dazu nicht zu sagen zu haben.
Nachdem Christoph sich gewaschen und umgezogen hatte, machte er sich auf den Weg. Er mietete sogar einen Fackelträger, wie es sich zu Nachtzeiten für einen anständigen Bürger ziemte. Schon eine halbe Stunde später kehrte er zurück. Er war enttäuscht und niedergeschlagen.
«Und?» Elsbeth bebte vor Aufregung.
«Erst wollte er mich nicht empfangen, sah es als Frechheit an, dass ich ihn um diese Zeit störte. Dann kam er doch für einen Moment die Treppe herunter. Ach, Elsbeth, so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe, ist es nicht.»
Er ließ sich auf die Bank nieder. Jetzt spürte er jeden einzelnen seiner Knochen, und seine Wunde pochte schmerzhaft.
«Vor Gericht zugelassen sind nur Zeugen der Anklägerseite. Die einzige Möglichkeit, die mir laut Renner bleibt, ist eine schriftliche Bittschrift. Ich muss Zeugen nennen, die für Cathis ordentlichen Lebenswandel bürgen. Ob solche Zeugen angehört werden, ist die alleinige Entscheidung des Gerichts.»
Stumm blickte er ins Leere. Es würde eine kalte Nacht werden, und Cathi, seine unschuldige, herzensgute Cathi lag irgendwo im Predigerturm in Ketten, frierend, zu Tode geängstigt,
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