Die Hexe von Freiburg (German Edition)
energischen Schritten vor den Schöffen auf und ab.
«Was heißt hier delikat? Wir sollten in diesem Prozess genauso gewissenhaft und vorschriftsmäßig verfahren wie in allen anderen Prozessen dieser Art. Auch mir ist nicht entgangen, mein guter Textor, dass wir im Kampf gegen die Hexenverschwörung in unserer Stadt an einem Punkt angelangt sind, wo drei Frauen einsitzen, die allesamt Witwen von hoch angesehenen Bürgern unserer Stadt sind. Ich zähle auf: die Wolffartin, Witwe des Gewerbemannes Alexander Schell, die Mößmerin, Witwe unseres verstorbenen Obristmeisters Jacob Baur, die Stadellmenin, Witwe des mehrfachen Magistrats und Zunftmeisters Michael Bantzer. Dazu kommt noch, als vierte, Beate Müllerin, Tochter unseres hoch angesehenen Mitglieds der Zwölf Beständigen, Georg Müller. Die persönliche Bekanntschaft mit diesen Frauen», dabei warf er Textor einen verständnislosen Blick zu, «mag für einige unter uns natürlich ein erschwerender Umstand sein bei der Wahrheitsfindung und Überführung der Angeklagten. Jedoch –» er schlug heftig mit der Faust auf den Tisch, und seine ohnehin gehaltvolle Stimme rutschte in einen tiefen Bass «– ist hier im Raum unter den Anwesenden in der Tat jemand, der der Überzeugung ist, dass Gottes Widersacher Standesunterschiede macht bei der Auswahl seiner Gefolgsleute? Die Erfahrung hat gezeigt, dass einfache Leute ohne Stand und Bildung anfälliger sind für teuflische Verführungskünste, doch auch Vertreter des vornehmen Stands, insbesondere das schwache Geschlecht, sind nicht dagegen gefeit, und daher muss unnachsichtig jeder, ich sage, jeder Spur nachgegangen werden. Vielleicht erinnern sich einige der anwesenden Herren, auch wenn es bald fünfzehn Jahre zurückliegt, dass die Mößmerin schon einmal wegen Hexerei angezeigt worden ist. Der Sache wurde nicht weiter nachgegangen, da es sich bei der Denunziantin um eine Frau mit sehr schlechtem Leumund handelte. Nur wenige Monate später: die zweite Anzeige, diesmal von einem Freiburger Ballierer. Da dieser Mann als Schelm und Querulant stadtbekannt war, wurde er jedoch wegen Verleumdung verurteilt.»
Unbehaglich rutschte Carolus Textor auf seinem Stuhl hin und her.
«War das nicht dieser Friedlin Metzger», unterbrach er den Statthalter, «der seinerzeit in der Neuburg einen Teil der Stadtmauer abgetragen und die Steine verkauft hat? Ein verschlagener Bursche, auf dessen Aussage ich nichts geben würde.»
«Zwei Anklagen wegen Hexerei wurden seinerzeit also abgewehrt», fuhr Renner fort, offenbar unbeeindruckt von Textors Einwand. «Ein wenig zu voreilig, wenn man mich fragt. Denn es kann doch kein Zufall sein, dass dieselbe Frau nun schon zum dritten Mal mit Hexerei in Verbindung gebracht wird, diesmal durch vier Besagungen, die allesamt von Frauen stammen, die auf Hexerei und Teufelsbuhlschaft bekannt haben. Diese vier Besagungen betreffen im Übrigen auch die Wolffartin, die Müllerin und die Stadellmenin.»
Renner nahm einen großen Schluck Wasser und hob wieder seine Stimme: «So viel zu Margaretha Mößmerin. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen von hoch angesehenen Bürgern gesprochen. Wohlgemerkt von Bürgern, denn das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch deren Gattinnen einen gebührlichen Lebenswandel führen. Das beste Beispiel für einen Abfall von der ordentlichen Haushaltsführung des verstorbenen Mannes ist die Stadellmenin, die Witwe des von uns allen so geschätzten Michael Bantzer. In den letzten Jahren haben sich die Klagen einiger Nachbarn gehäuft: Lärm und Musik bis in die Nachtstunden, das Aus und Ein von fremden Mannsbildern, eine auffallend enge Verbundenheit mit ihren Dienstmägden, die Vermietung eines Zimmers an einen ledigen jungen Mann und anderes mehr. Es wurden sogar höchst verdächtige Zusammenkünfte in ihrem Garten beobachtet, mit Tanzen und Singen unterm Vollmond. Die Ermahnung des Zunftmeisters der Schlosser, der ihr in väterlicher Zuneigung verbunden ist, hat nicht gefruchtet. Und nun, gerade rechtzeitig zu Prozessbeginn, wurde mir die Aussage eines Mannes zugetragen, die zur weiteren Erhellung von Catharina Stadellmenins Wesen beitragen könnte. Gerichtsdiener, führt den Zeugen herein.»
Siferlin trat ein. Der Stolz, von so vielen ehrbaren Herren gehört zu werden, war ihm deutlich anzusehen. Renner setzte sich, und der zweite Vorsitzende, ein gelangweilt dreinblickender Mann, übernahm die Befragung.
«Euer Name?»
«Hartmann Siferlin.»
«Bürger
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