Die Hexe von Freiburg (German Edition)
herrannten. Nach und nach füllte sich die Landstraße mit weiteren Karren und Fuhrwerken, dazu gesellten sich Bauern und Krämer, die ihre gesamte Ware auf dem krummen Rücken schleppten.
«Wir sind bald da», sagte Marie. «Weißt du, wo du deinen Christoph findest?»
«Er arbeitet im Gasthaus ‹Zum Ochsen›. Kennt Ihr es?»
«Es liegt ganz in der Nähe der Kirche Unserer Lieben Frau. Wenn du willst, bringe ich dich hin.»
Catharina überlegte. Wenn sie an das bevorstehende Wiedersehen dachte, fing ihr Herz sofort schneller an zu schlagen.
«Nein danke, ich gehe das letzte Stück lieber allein.»
Vor dem Stadttor mussten sie eine Weile warten, so groß war der Andrang der heranströmenden Händler und Bauern. Marie lenkte ihren Karren geschickt durch die engen Gassen. Überrascht stellte Catharina fest, wie viel Ähnlichkeit diese Stadt mit Freiburg hatte.
«Ich fahre gleich zum Markt, um mir einen guten Standort zu sichern. Von dort sind es nicht mal fünf Minuten zum ‹Ochsen›. Es ist leicht zu finden.»
Kurz vor dem Marktplatz blieben sie im Gedränge stecken. Catharina beschloss, den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Sie verabschiedeten sich herzlich.
«Wenn irgendetwas passiert, komm bei mir vorbei. Ich wohne bei meinem Bruder, gleich neben der Münze. Frag einfach nach dem Schladerer Hans.»
Als sich Catharina dem Gasthaus näherte, krampfte sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. Sie hatte Christoph seit gut einem halben Jahr nicht mehr gesehen. So vieles konnte seitdem geschehen sein. Unruhe beschlich sie, als sie sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite an eine Hauswand lehnte und den Eingang beobachtete. Gerade hielt ein vornehmer Reiter in pelzverbrämter Schaube vor dem Tor, ein Packpferd und einen Diener im Schlepptau. Er rief etwas, und dann trat Christoph aus dem Haus.
Wie oft hatte sie an ihn gedacht, und jetzt stand er nur wenige Schritte vor ihr, noch größer und breiter in den Schultern, das Gesicht viel ernster, als sie es in Erinnerung hatte. Er war nicht allein: Dicht neben ihm, viel zu dicht, stand eine junge Frau, zierlich, mit hellblonden Haaren und einem zarten, blassen Gesicht.
Catharina verlor allen Mut. Als er in ihre Richtung blickte, zog sie sich den Hut tiefer ins Gesicht. Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht. Doch zu ihrem Schrecken kam Christoph auf sie zu.
«He, Bursche, du kannst dir ein paar Pfennige verdienen und uns beim Abladen helfen.»
Dann blieb er wie erstarrt stehen.
«Das gibt’s doch nicht. Bist du es, Cathi, oder träume ich?»
Sie wollte weglaufen, aber er hielt sie am Arm fest.
«Wie kommst du hierher? Was machst du hier? Und wie siehst du aus? Warte, ich muss erst unserem Gast helfen.» Vor Überraschung stotterte er. Dann zog er sie hinter sich her in den Eingang und wandte sich wieder dem Gast zu, der die Szene mit finsterer Miene beobachtet hatte.
Wie angewurzelt blieb Catharina in der düsteren Diele stehen, während Christoph beim Abladen half und die junge Frau den Gast hineinführte. Was wollte sie hier eigentlich? Hatte sie wirklich geglaubt, dass ihr Vetter sie bei der Hand nehmen und allen als seine zukünftige Frau vorstellen würde? In ihrer Verkleidung kam sie sich vollends lächerlich vor.
Christoph kehrte zu ihr zurück.
«Cathi, was für eine Überraschung.»
Catharina spürte seine Verwirrung.
«Ich dachte, du freust dich, mich zu sehen.»
«Ich freue mich auch, aber –» Er begann abermals zu stottern und warf einen Blick auf den Hauseingang. «Glaub mir – ich hätte niemals mit dir gerechnet. So eine weite Reise. Und warum hast du deine schönen Haare abgeschnitten?»
Sie gingen ein paar Schritte die Gasse hinunter.
«Weil ich dich wiedersehen musste.» Catharina war nur noch unglücklich. Ihr Vetter verstand nichts. «Wer ist dieses Mädchen?»
«Das ist Sofie, die Tochter von Onkel Carl.» Er blieb plötzlich stehen und sah sie so entgeistert an, als begriffe er erst jetzt.
«Du bist heimlich gekommen. Deshalb die Verkleidung als Junge. Und was hast du jetzt vor?»
Sie schwieg und unterdrückte ein Schluchzen. Als er sie fest in die Arme schloss, fühlte sie sich nur noch verlorener.
«Catharina, du weißt, wie sehr ich dich mag. Und du bist das erste Mädchen, das ich wirklich …» Er stockte. «Verstehst du, ich lebe jetzt hier in Villingen und du in Lehen bei Mutter und Lene. Und du bist noch so jung. Ach, Herr im Himmel!» Er biss sich auf die Lippen. «Komm, gehen wir ins Haus. Ich
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