Die Hexe von Freiburg (German Edition)
das gesehen?»
«Er ist vom Schäfer und wird wahrscheinlich genauso schlau werden wie seine anderen Hunde. Weißt du schon einen Namen?»
Da musste Catharina nicht lange überlegen.
«Ich nenne ihn Moses.»
Moses folgte ihr von nun an auf Schritt und Tritt. Mit Mühe konnte Lene verhindern, dass er nachts bei ihnen im Bett schlief.
«Wenn er größer ist, muss er sowieso im Hof schlafen, also verwöhne ihn besser nicht.»
Marthes Geschenk hatte Erfolg: Catharina war in ihrer freien Zeit so mit dem jungen Hund beschäftigt, dass sie es schaffte, kaum noch an ihren Vetter zu denken – sie verbot es sich einfach. Und die anderen vermieden in den nächsten Wochen, den Namen Christoph auch nur auszusprechen.
Der Sommer nahm seinen Lauf mit den üblichen Arbeiten im Haus, im Obstgarten und auf den Feldern der Nachbarn. Catharina war bald wieder mit der alten Tatkraft und Freude beim Bewirten der Gäste. Einmal kam Marthes Vetter Berthold aus Freiburg zum Abendessen, ein dicker, gemütlicher Mann mit unzähligen Lachfalten um die Augen. Nachdem die letzten Gäste gegangen waren, blieb er noch mit Marthe am Tisch sitzen. Catharina war gerade dabei, das Geschirr in die Küche zu tragen, als er sie zu sich rief.
«So ein Mädchen wie dich könnte ich bei mir im Schneckenwirtshaus gut gebrauchen. Willst du nicht die Arbeitsstelle wechseln? Ich würde dich gut bezahlen.»
Marthe protestierte, und Catharina freute sich über sein Lob.
«Ich habe doch bei Tante Marthe gar keine Arbeitsstelle», gab Catharina zurück. «Das ist meine Familie, und ich bin sehr glücklich hier.»
Bei dieser Bemerkung ging ein Strahlen über Marthes Gesicht, und Berthold drückte dem Mädchen eine Silbermünze in die Hand.
«Ich sehe schon, ich habe keine Aussicht, dich abzuwerben. Was bin ich für ein Pechvogel.»
Er holte von der Anrichte einen Becher, goss ihn mit Rotwein voll und reichte ihn Catharina. Kurz darauf sah Lene in die Stube und setzte sich dazu. Seit langer Zeit wieder einmal saßen sie zusammen und genossen schwatzend und lachend den Feierabend.
Mindestens einmal die Woche gingen Lene und Catharina in die Stadt auf den Markt, um Kleinigkeiten für Haushalt oder Küche zu kaufen. Bei dieser Gelegenheit besuchte Catharina ihren Vater. Manchmal kam Lene mit, manchmal schlenderte sie währenddessen durch die Gassen.
Man wusste nie, in welcher Verfassung der Vater gerade war. Es konnte sein, dass er lesend auf der Ofenbank saß und Catharina kaum bemerkte, so sehr war er in die Heilige Schrift vertieft. Er las nichts anderes mehr. An manchen Tagen setzte sein Verstand aus.
An das erste Mal konnte sich Catharina gut erinnern. Es war der Tag, als Kaiser Ferdinand seinen Untertanen in Freiburg einen Besuch abstattete. Vor dem Haus zum Walfisch, wo er residierte, drängten sich die Menschenmassen. In der gegenüberliegenden Martinskirche sollte gegen Mittag ihm zu Ehren eine Messe gelesen werden, und die Leute standen sich die Beine in den Bauch, um ihren Herrscher aus dem fernen Wien einmal leibhaftig vor sich zu sehen. Lene hatte Catharina überredet mitzukommen, aber die ganze Warterei stellte sich als umsonst heraus: Die Stadt hatte eigens für diesen Kirchgang einen geschlossenen Holzsteg vom Walfisch hinüber zur Kirche bauen lassen, sodass kein Zipfel des kaiserlichen Rocks zu sehen war.
«Hast du den Kaiser gesehen, meine liebe Anna?», begrüßte ihr Vater sie. Catharina erschrak zu Tode: Anna war der Name ihrer Mutter. Von diesem Tag an verwechselte er sie mal mit seiner früheren, mal mit seiner jetzigen Frau, und einmal hatte er sie sogar wieder weggeschickt, weil er überzeugt war, sie sei der Bader, der ihm mit Aderpresse und Lanzette zu Leibe rücken wollte. Catharina hoffte vor jedem Besuch inbrünstig, dass er bei sich war, denn sie konnte sich an diese Zustände ihres Vaters nicht gewöhnen.
Eines Tages erfuhr sie, dass Johann in die Stadt zurückgekehrt war. Von da an bat sie Lene, sie zu ihrem Vater zu begleiten, denn sie hatte Angst, dort auf ihren Stiefbruder zu treffen. Doch diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unnötig, denn Johann war nie zu Hause aufgetaucht, und niemand wusste, wo er sich aufhielt.
«In Straßburg haben sie ihn wegen Schulden aus der Stadt gejagt. Ich habe ihn ein paar Mal auf der Straße getroffen, aber er wollte mir nicht sagen, wo er jetzt wohnt», berichtete Claudius über seinen Bruder.
In Catharina stieg wieder die alte Angst auf.
«Mach dich nicht verrückt»,
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