Die Hexe von Freiburg (German Edition)
sich ziehen konnte. So versuchten sie, zu ihrem unbekümmerten Umgangston zurückzufinden.
Catharina musste sich zusammenreißen, nicht häufiger als bisher in die Werkstatt zu gehen, denn sie sehnte sich täglich mehr nach seiner Nähe. Sie liebte ihn nicht, doch sie genoss diese Freundschaft wie ein warmes Bad, und die heimlichen Zusammenkünfte in seinem kleinen Zimmer waren ihr viel zu selten.
Inzwischen besuchte sie einmal in der Woche, jeden Samstag, ihre Familie in Lehen. Es war zur Gewohnheit geworden, dass Christoph oder einer der Zwillinge am Morgen in der Stadt Erledigungen machte, anschließend Catharina abholte und sie mit nach Lehen nahm. Am frühen Abend kehrte sie zurück, sicherheitshalber brachte einer der Männer sie bis zum Stadttor. Von dort schlich sie sich dann, das Kopftuch tief ins Gesicht gezogen, zu Benedikt, der an den Samstagabenden in der Regel allein war, da sein Mitbewohner an diesem Tag gleich nach Feierabend seine zukünftige Frau zu besuchen pflegte. Sie liebten sich, ohne dass ihr Zusammensein an Reiz verlor.
Der einzige Schatten, der sich über diese Zeit legte, war Catharinas schlechtes Gewissen. Nicht Michael gegenüber, der noch nie das geringste Anzeichen von Eifersucht gezeigt hatte – nicht einmal dazu ist er fähig, dachte Catharina voller Grimm –, nein, sie hatte vielmehr das Gefühl, Christoph zu betrügen. Besonders schlimm waren die Augenblicke, wenn er sie bis zum Lehener Tor begleitete und sich mit einem brüderlichen Kuss von ihr verabschiedete.
«Ich freue mich auf nächsten Samstag», sagte er dann jedes Mal und winkte ihr nach, bis sie durch das Tor verschwunden war. Er ahnte nicht einmal, dass sie wenige Augenblicke später in den Armen ihres Liebhabers lag. Sie fragte sich später oft, ob sie nicht von Anfang an hätte offen zu ihm sein sollen. Aber für sie selbst war alles noch so neu, und sie wusste auch, wie sehr ihn ihre Beziehung zu Benedikt verletzt hätte.
Wen sie nicht täuschen konnte, waren Barbara und Elsbeth.
«Wie glücklich Ihr ausseht», sagte Elsbeth, als sie an einem stürmischen Oktoberabend in der Küche beim Essen saßen. Verlegen wie ein ertapptes Kind löffelte Catharina ihre Suppe.
«Ja, es geht mir gut.»
«Ihr habt eine gute Wahl getroffen», fügte Barbara hinzu.
«Woher wisst ihr, wer –» Catharina stockte.
«Wir haben doch Augen im Kopf», entgegnete Barbara. «Aber keine Angst: Euer Mann weiß mit Sicherheit nichts. Er ist viel zu beschäftigt.»
«Es freut mich, dass Catharina in letzter Zeit so fröhlich und ausgeglichen ist.» Bantzer schlug Siferlin freundschaftlich auf die Schulter. «Jede andere Frau würde jammern und klagen, wenn ihr Gemahl so wenig Zeit hätte wie ich. Aber dafür laufen die Geschäfte auch märchenhaft, nicht wahr, mein lieber Hartmann?»
Siferlin nickte, ohne von den Büchern aufzusehen. Vielleicht hat sie gute Gründe für ihre strahlende Laune, dachte er.
«Hin und wieder braucht es eben einen deftigen Streit, das reinigt die Luft. Weißt du, Hartmann, es ist manchmal eine Last mit den Frauen, und du tust gut daran, Junggeselle zu bleiben. Dennoch glaube ich, mit meiner Catharina kein schlechtes Los gezogen zu haben. Mit ihrer klugen Zurückhaltung lässt sich zurechtkommen.»
Bantzer streckte sich genüsslich, nur um im nächsten Moment mit einem Aufschrei zusammenzuzucken.
Siferlin kniff die Augen zusammen. «Was ist?»
«Der verdammte Rücken – seit meinem Sturz neulich vom Pferd wollen die Striemen nicht heilen. Schick bitte den Lehrbuben nach einem Tiegel Ringelblumensalbe. Aber meine Frau soll davon nichts erfahren.»
«Selbstverständlich. Aber vielleicht sollte doch besser der Bader kommen.»
Bantzer hob abwehrend die Hände. «Nein, um Himmels willen. Wegen solch einer Lappalie.»
Lappalie. Siferlin konnte das Zittern seiner Hände kaum verbergen, als er sich wieder über das Auftragsbuch beugte. Von wegen Sturz vom Pferd. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie das Blut den Rücken hinuntergelaufen war, hatte Bantzers Schmerzensschreie gehört, als diese Furie wieder auf ihn eingeschlagen hatte. Ihm schwindelte.
Durch Zufall hatte er das Liebesnest von Bantzer und der Frau des Tuchhändlers entdeckt. Er hatte nach einer Bestellung seine beste Schreibfeder in der Lagerhalle des Händlers vergessen und war zurückgeeilt, als er an dem alten Lagerschuppen vorbeikam, der halb in die Stadtmauer eingelassen war. Von dem alten Tuchhändler wusste er, dass diesen
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