Die Hexe von Freiburg (German Edition)
draußen bei euch in Lehen.»
Catharina sah ihn prüfend an. Sie konnte manchmal nicht einschätzen, ob er sie auf den Arm nahm oder etwas tatsächlich nicht wusste.
Benedikt küsste sie. «Wenn es nicht so kalt wäre und du meine Frau wärst, würden wir uns gleich auf den Weg machen und quer über den See laufen. Aber leider ist alles ganz anders, und ich muss wieder in die Werkstatt hinunter.»
Er legte seine Lederschürze an, die sie als Unterlage auf dem Fußboden ausgebreitet hatten, und klopfte leise dreimal gegen die Tür zum Esszimmer. Barbara öffnete die Tür von außen: «Ihr könnt heraus, es ist niemand da.»
Catharina fand diese Zeremonie nach wie vor entwürdigend, aber das Stelldichein in der Küche unter der wachsamen Obhut von Barbara und Elsbeth war im Moment für sie die einzige Möglichkeit, sich allein und ungestört zu treffen. Catharina dachte mit Sehnsucht an den Frühling, wenn die Tage wieder länger sein würden und sie sich in Benedikts Zimmer sehen konnten.
Doch die bittere Kälte hielt noch lange an. Die Armen, die kein Obdach in den Spitälern und Armenhäusern fanden, liefen Gefahr, auf offener Straße zu erfrieren. Harmlose Erkältungskrankheiten ließen die Geschwächten wie Fliegen dahinsterben. Da die Erde eisenhart gefroren war, konnten die Leichen nicht bestattet werden und mussten in eigens dafür errichteten Hütten draußen vor der Stadt gelagert werden. Seit zweieinhalb Jahren spielte das Wetter nun schon verrückt, und inzwischen erreichte der lange Arm des wirtschaftlichen Niedergangs auch die reicheren Bürgerhäuser.
Wegen der schlechten Auftragslage war Michael jetzt häufiger als sonst in der Werkstatt oder im Haus. Von den wenigen Kundenbesuchen abgesehen, verließ er das Haus nur noch für die wöchentlichen Zunftversammlungen. Catharina vermutete, dass ihm seine Geliebte davongelaufen war, denn er wirkte unzufriedener und unruhiger denn je. Hinzu kamen seine Sorgen um die Werkstatt. Um niemanden entlassen zu müssen, zahlte er jetzt weniger Lohn aus, was alle ohne Murren hinnahmen. Aber wie lange konnte das gut gehen?
Auch Catharina hatte jetzt erheblich weniger Geld zur Verfügung, und Barbara und Elsbeth verzichteten freiwillig auf ihr Taschengeld. Michael suchte zunächst nach Auftraggebern in den Nachbarorten, reiste nach Breisach, Emmendingen und Waldkirch. Vergeblich. Außer einer Menge Unkosten kam nichts dabei heraus. Viele seiner Zunftgenossen suchten Hilfe bei Gott. Sie ließen Messen für sich lesen, unternahmen Wallfahrten oder spendeten großzügig an die Kirche. Doch obwohl Michael von einer streng katholischen Mutter aufgezogen worden war, hielt er ebenso wenig wie Catharina von den Ritualen und Heilsversprechungen der Kirche.
Er begann zu trinken. Um nicht seinen Ruf als Zunftmeister zu gefährden, trieb er sich in den unterschiedlichsten Vorstadtschenken herum, wo ihn, wie er hoffte, niemand kannte.
Michaels unregelmäßige Anwesenheit im Haus barg ein großes Risiko für Catharinas Verabredungen mit Benedikt. Bisher war es einfach gewesen: Catharina wusste immer mit ziemlicher Sicherheit, wann ihr Mann nach dem Mittagessen außer Haus zu tun hatte und wann in der Werkstatt. So konnte sie, wenn eine der Frauen den Angestellten das Essen hinüberbrachte, eine Nachricht mitgeben. Da die Gesellen auch hin und wieder im Lager- oder Verkaufsraum des Vorderhauses zu tun hatten, dachte sich wohl niemand etwas dabei, wenn Benedikt ab und zu über den Hof ging.
An diesem wolkenverhangenen Februartag hatte er es besonders eilig und stürmte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, wo Catharina in der Diele auf ihn wartete. Sie fielen sich in die Arme. Seit zwei Wochen schon waren sie nicht mehr zusammen gewesen, da Michael wegen eines verstauchten Fußes das Haus hatte hüten müssen. Heute sollte er mit Siferlin unterwegs sein, um Geld von säumigen Kunden einzutreiben.
«Endlich», murmelte Benedikt und zog Catharina in die Küche. Ungestüm nahm er sie in die Arme, als draußen plötzlich ein Tonteller zu Boden krachte. Das war das Zeichen für höchste Alarmbereitschaft. Hastig legte er seinen Schurz um, der zu Boden geglitten war, als sich auch schon die Tür öffnete und Michael mit Siferlin eintrat.
«Was machst du hier mitten in der Arbeitszeit? Habt ihr jetzt alle nichts mehr zu tun?», herrschte er Benedikt an und blickte dann misstrauisch zu Catharina, die sich am Herdfeuer zu schaffen machte und hoffte, dass Michael ihre
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