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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ausgelöst, suchte Catharina nun öfters die Begegnung mit Benedikt. Sie war vorsichtig, denn sie wusste, dass Hartmann Siferlin jeden ihrer Schritte beobachtete.
    Nach wie vor ging sie gern in den frühen Abendstunden spazieren. Da die häufigen Überfälle infolge der Teuerung und Missernten anhielten, war es für eine Frau allein nicht ratsam, sich unbewaffnet auf das Land zu wagen. Catharina zog daher den Stadtgraben vor, den sie zwar längst in- und auswendig kannte, der ihr aber immer noch angenehmer war als die engen Gassen. An jenem lauen Abend Ende September, der ihr Leben für die nächsten Jahre entscheidend verändern sollte, saß sie in der Abendsonne und beobachtete ein paar Kinder beim Ballspiel. Als die Sonne hinter der Stadtmauer verschwand, begann sie zu frösteln, und sie beschloss, heimzugehen. Da sah sie Benedikt auf sich zukommen. Mit einem unsicheren Lächeln begrüßte er sie.
    «Wie schön, Euch zu treffen», sagte Catharina. «Was für ein Zufall.»
    «Ja», entgegnete Benedikt. «Das heißt, nein. Um ehrlich zu sein: Es ist kein Zufall, dass ich hier bin. Ich weiß, dass Ihr oft im Stadtgraben spazieren geht. Und heute war ich mit der Arbeit früher fertig.»
    Sie schwiegen beide. Benedikt setzte sich ihr gegenüber auf die Wiese und rupfte Grashalme aus.
    Er hat schöne Hände, dachte Catharina. Schmal und fein, wie ein Künstler. Ihre innere Ruhe war verflogen. Sie spürte, wie ihr Herz schneller pochte. Dann ging ihr durch den Kopf, dass sie hier, genau an dieser Stelle, zum ersten Mal mit Michael zusammen gewesen war.
    «Wohnt Ihr hier in der Nähe?», fragte sie.
    «In der Predigervorstadt, direkt beim Lehener Tor. Ich hab ein kleines Zimmer dort.»
    Catharina wusste selbst nicht, woher sie plötzlich die Kühnheit nahm, ihn zu fragen, ob er ihr sein Zimmer zeigen würde. Benedikt nickte nur, und sie gingen wortlos das kleine Stück bis zum Tor. Schräg gegenüber stand ein schmales heruntergekommenes Fachwerkhaus. Durch eine verwitterte Holztür, die schief in den Angeln hing, traten sie in einen dunklen Flur. Es roch nach Schimmel und Urin.
    Wie ärmlich es hier aussieht, dachte Catharina, als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Dann folgte sie Benedikt in sein Zimmer, das gleich im Erdgeschoss nach hinten hinaus lag. Sie war überrascht: Die Wände waren frisch geweißelt, auf den Dielenbrettern fand sich kein Krümchen, auf zwei Strohsäcken lagen ordentlich zusammengelegte Decken, und aus dem geöffneten Fenster drang der süße Duft verblühender Rosen, die in hohen Büschen im Hinterhof wuchsen.
    «Mit wem teilt Ihr das Zimmer?», fragte sie.
    «Mit einem Messerschmied. Ein sehr ruhiger und freundlicher Zimmergenosse.»
    Benedikt beugte sich aus dem Fenster und brach eine rote Blüte ab. Immer noch verlegen, überreichte er sie Catharina.
    «Ihr wisst, wie sehr ich Euch verehre, nicht wahr?»
    Catharina legte die Rose auf die Kommode und nahm seine Hände in ihre. Beider Hände waren feucht vor Aufregung. «Und Ihr wisst, dass ich eine verheiratete Frau bin.»
    Fast traurig betrachtete Benedikt sie und nickte. «Ja, ich weiß. Und beides geht nicht gut zusammen.»
    Dann zog er sie neben sich auf die Schlafstatt. Catharina beugte sich vor und küsste ihn vorsichtig auf den Mund. Wie lange schon hatte sie keinen Mann mehr geküsst! Benedikt öffnete seine Lippen, wie um sie einzuladen, mehr zu fordern. Ihre Zunge erforschte seine Lippen, seinen Mund, sein Gesicht, und eng umschlungen streckten sie sich auf dem schmalen Strohsack aus.

    Es war so überraschend einfach mit Benedikt. Er gab ihr alles, was sie als Frau so lange Zeit vermisst hatte. Nicht nur körperlich begehrte er sie – und dabei war er ein leidenschaftlicher Liebhaber, der zugleich zärtlich und stürmisch auf ihre Bedürfnisse einging –, sondern auch geistig: Über Gott und die Welt suchte er das Gespräch mit ihr und schätzte ihre Meinung. Er bedauerte oft, dass er so wenig wusste und in seinem Leben so wenig Gelegenheit zum Lernen gehabt hatte, doch für Catharina war er einer der klügsten Männer, die ihr je begegnet waren. Sie genossen jeden Augenblick miteinander. Dennoch sprachen sie nie über eine gemeinsame Zukunft, denn sie wussten: Sie hatten keine.
    In den ersten Tagen ihrer Liebschaft vermieden sie es, sich im Hof oder der Werkstatt zu begegnen. Doch ihnen wurde schnell bewusst, dass die geringste Verhaltensänderung den Argwohn der anderen Männer oder Hartmann Siferlins auf

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