Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Schuppen seit Jahren kein Mensch mehr betreten hatte, seitdem darin ein grässlicher Mord geschehen war. Doch jetzt war der Riegel zurückgeschoben, die Tür nur angelehnt.
Fühlte sich Siferlin in seiner äußeren Gestalt von Gott und der Natur nicht gerade begünstigt, so besaß er doch eine Eigenschaft, auf die er stolz war: Ihm entging nicht die kleinste Veränderung in seiner Umgebung. Jeder andere wäre an dieser verwitterten Holztür vorübergegangen, doch Siferlin sah sofort, dass hier vor kurzem jemand eingetreten war. Seine Drang, alles auszukundschaften, trieb ihn dazu, so lautlos wie möglich in den dunklen Schuppen zu schlüpfen. Ein schmaler Gang führte tief in das Mauerwerk der Stadtbefestigung. Schon nach wenigen Schritten hörte er das klatschende Geräusch und die unterdrückten Schreie. Angst packte ihn, doch seine unersättliche Neugier trieb ihn vorwärts. Was er dann erblickte, ließ ihm den Atem stocken.
Im Schein zweier Fackeln kauerte sein Brotherr auf allen vieren, nackt, schweißglänzend, mit geschwollenem Glied. Hinter ihm stand Rebecca, eine Reitpeitsche in der erhobenen Hand. Ihr schönes Gesicht war zu einer hasserfüllten Fratze verzogen.
«Du denkst an andere Frauen, wenn du mit mir vögelst. Gibst du es endlich zu, du Schweinehund?»
Wieder knallte die Peitsche auf Bantzers Rücken. Siferlin zuckte zusammen. Wie gelähmt stand er da, konnte den Blick nicht losreißen von dieser grausamen Frau und dem winselnden Mann, blieb bebend und mit offenem Maul stehen, bis Bantzer in schmerzhafter Wonne um Gnade flehte und Rebecca sich endlich, endlich rittlings auf seiner Rute niederließ.
Siferlin verstand die Welt nicht mehr. Was ließ sich Bantzer nur antun von dieser Bestie? Wie unglücklich musste er mit der Stadellmenin sein, wenn es ihn zu diesen Schmerzen trieb. Tränen des Mitleids liefen über Siferlins Wangen, nachdem seine Erregung endlich abgeklungen war und er wieder ins Tageslicht trat.
Immer wieder zog es ihn fortan als heimlichen Zuschauer zu Bantzers Stelldichein. Wie sein Herr wurde er zu einem Gefangenen der grausamen Lust, und er vergaß dabei vollkommen seinen Vorsatz, Catharina Stadellmenin im Auge zu behalten.
Die Tage wurden kürzer. Inzwischen herrschte Nacht, wenn Catharina von ihren Besuchen bei Benedikt zurückkehrte. Sie wusste, dass es sich für eine Frau nicht schickte, bei Dunkelheit allein durch die Straßen zu gehen, doch sie wagte nicht, sich einen Fackelträger zu mieten, denn diese Leute waren für alles andere als für ihre Verschwiegenheit bekannt. So huschte sie jedes Mal wie ein verfolgtes Tier durch eine unbewachte Nebenpforte in die Innenstadt und dann auf dem kürzesten Weg nach Hause. Es war vorauszusehen gewesen, dass sie eines Abends von der Stadtwache gestellt würde.
«Halt! Stehen bleiben!»
Catharina zuckte zusammen. Vom Klosterhof St. Peter kam mit schnellen Schritten ein Wächter auf sie zugelaufen und leuchtete mit seiner Laterne in ihr Gesicht.
«Wer seid Ihr? Nehmt sofort das Tuch aus dem Gesicht.»
Gehorsam schob sie sich das Kopftuch zurück.
«Oh – die Bantzerin», stotterte der Stadtwächter. «Verzeiht, ich habe Euch nicht erkannt. Aber Ihr wisst ja selbst, dass ich in diesen gefährlichen Zeiten meine Pflicht tun muss. Darf ich Euch nach Hause begleiten?»
Catharina nickte seufzend. Ganz offensichtlich war sie stadtbekannt. Ihr wurde klar, dass sie, zumindest jetzt in den Wintermonaten, ihre abendlichen Besuche bei Benedikt einstellen musste, wenn sie nicht wollte, dass ihr Verhältnis ans Licht kam.
19
«Stell dir vor, der Bodensee ist zugefroren!»
Catharina stand am offenen Herdfeuer in der Küche, um sich die Hände zu wärmen, während sich Benedikt das Wams zuschnürte. Nach wochenlangem Schneefall hatte ein Frost eingesetzt, wie ihn die Menschen aus der Gegend noch nicht erlebt hatten. Die Welt bestand nur noch aus Schnee und Eis. Das Mehl wurde wieder einmal knapp, da die wassergetriebenen Mühlen stillstanden, und selbst im Hause Bantzer mussten Eicheln und Hafer ins Brot gemischt werden.
«Ist ein gefrorener See etwas Besonderes bei dieser Hundekälte?», fragte Benedikt.
«Weißt du denn nicht, wie riesig der Bodensee ist? Er ist so groß wie ein richtiges Meer, du kannst das andere Ufer nicht sehen, so weit weg ist es. Und jetzt kann man zu Fuß oder sogar mit dem Wagen in die Schweiz hinüber.»
«Aha», lachte er. «Da sieht man wieder, wie dumm ich bin. Ich dachte, der Bodensee sei ein Weiher
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