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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Da glaubte sie, in der Ferne einen lang gezogenen Schrei zu hören. Erschrocken sah sie sich um, doch sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Ihre Begleiter hatten wohl nichts gehört, schweigsam und müde trotteten sie vor sich hin. Wahrscheinlich hatte sie sich geirrt. Dann sah sie eine Staubwolke, wie von einem davongaloppierenden Pferd. Auf der Höhe des Bischofskreuzes musste das sein. Sie kniff die Augen zusammen: Irgendwas lag da am Straßenrand. Ein Holzstoß? Ein umgestürzter Karren? Da bewegte sich doch jemand.
    Sie lief schneller. Als deutlich wurde, dass es eine menschliche Gestalt war, die vergeblich versuchte sich aufzurichten und immer wieder gegen den Karren sackte, rannte sie los. Sie bekam kaum noch Luft. Es traf sie wie ein Blitzschlag, als sie Marthe erkannte, ein Blitzschlag, der ihr fast die Besinnung raubte. Das musste ein Traum sein, ein schrecklicher Albtraum. Ihre Tante Marthe kauerte dort auf dem Boden, mit aufgerissenen Augen, das Kleid in Brusthöhe zerfetzt und durchnässt. Jetzt erst sah sie die Blutlache im Staub.
    «Tante Marthe! Ich bin’s, Cathi. Erkennst du mich?»
    Fast unmerklich nickte ihre Tante und schloss stöhnend die Augen.
    «Es wird alles gut, liebste Tante, glaub mir. Hab keine Angst, hab keine Angst.»
    Catharina konnte vor Entsetzen kaum sprechen. Da sah sie die anderen, die inzwischen herangekommen waren und im Abstand von einigen Schritten die Szene beobachteten.
    «So helft mir doch, um Gottes willen, sie stirbt!», schrie Catharina, und ihre Stimme überschlug sich. Der alte Bauer hob ratlos die Achseln, die beiden Frauen drehten sich um und wollten weitergehen. Wie eine Furie sprang Catharina auf und packte beide mit eisernem Griff am Arm.
    «Seid Ihr des Teufels?», brüllte sie. «Verflucht sollt Ihr sein, wenn Ihr mir nicht helft.» Unwillig näherten sich die beiden Frauen der Verletzten, und auch der Bauer wagte nicht mehr, sich davonzustehlen. Catharina riss ihr Schultertuch in Streifen und umwickelte damit den blutenden Brustkorb. Dann legte sie sich Marthes linken Arm um ihre Schultern, der Bauer nahm den rechten, und gemeinsam hievten sie die stöhnende Frau in die Höhe. Die beiden Frauen griffen jeweils ein Bein und stützten mit ihrer Schulter die Hüfte ab, sodass Marthe, die inzwischen bewusstlos war, rücklings und fast waagrecht in der Luft lag.
    Behutsam und im Gleichschritt trugen sie die alte Frau nach Hause. Es war nicht mehr weit zum Gasthof, doch für Catharina schien die Zeit stillzustehen. Sie ging unter Marthes Gewicht gebückt, obwohl ihre Tante keine schwere Person war – es war die Last des Todes, die Catharina auf ihren Schultern trug. Ununterbrochen murmelte sie vor sich hin, erzählte der Schwerverletzten eine Geschichte nach der anderen aus ihrer Lehener Kinderzeit.
    «Hörst du mich, Tante Marthe? Bei euch habe ich die glücklichste Zeit meines Lebens verbracht. Du warst immer wie eine Mutter zu mir. Wie kann ich dir dafür nur danken? Du darfst jetzt nicht einfach sterben.» Tränen liefen ihr über das blutverschmierte Gesicht.
    Sofies Tochter, die im Hof mit ihrem Bruder spielte, riss entsetzt Mund und Augen auf, als die schaurige Prozession durchs Tor trat.
    «Schnell, meine Kleine, hol Christoph. Lauf schnell.» Sie legten Marthe auf eine Strohschütte an der Stallwand.
    «Gott segne Euch für Eure Hilfe», sagte Catharina zu ihren Helfern und rang nach Atem. Ihre eigene Stimme kam ihr plötzlich fremd vor. «Holt bitte noch den Dorfchirurgen. Er wohnt am Kirchplatz.»
    Sie kniete sich neben den Strohhaufen, hielt in der Linken Marthes kraftlose Hand und streichelte ihr Gesicht, das sich jetzt entspannt hatte. Sie blickte auf: Christoph stand vor ihr, kreidebleich trotz aller Sonnenbräune. Er sagte kein Wort. Sie erhob sich schwerfällig und überließ ihm ihren Platz an Marthes Seite. Als sie sah, wie er niederkniete und neben seiner Mutter auf das Stroh sank, ging sie in die Küche, um sich die Hände zu waschen, nahm den kleinen Andreas auf den Arm und dessen Schwester an der Hand und ging hinauf zu Christophs Frau.
    Sofie stieß einen Schrei aus, als sie Catharina sah. «Was ist passiert? Bist du verletzt? Du bist ja voller Blut!»
    Catharina sah an sich herunter. Ihr weites hellbraunes Leinenkleid hatte überall dunkle Flecken. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie begann zu schwanken. Sofie reichte ihr eine Wolldecke. Im warmen Schutz der Decke beruhigte sich Catharina allmählich und berichtete, wie sie ihre

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