Die Hexe von Hitchwick
Stand hatte. Die obere Hälfte konnte man aufklappen. Es war eigentlich ein Weihrauchgefäß, da bestand kein Zweifel, was auch die lange goldene Kette noch unterstrich, nur hatte es nie Kräuter beherbergt.
Sug nahm den Rosenkranz ab, legte ihn um den runden Standfuß, hielt es mit ausgestreckten Armen vor sich und sprach: „In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen. Sancte Michael Archangele, defende nos in praelio; contra nequitiam et insidias diaboli esto praesidium.“
Ein Raunen und Stöhnen erfüllte die Luft, das Gefäß vibrierte in Sugs Händen. Der Dunst voller Gesichter und Gliedmaßen wirbelte herum, zog sich von Morgan weg, auf Sug zu, strömte zurück in das goldene Gefängnis. Kaum war der letzte Zipfel Rauch im Inneren verschwunden, da schloss Sug es zügig und atmete erleichtert aus.
„Danke!“, rief Morgan und stürmte hinter den Altar.
„Er ist weg.“
„Da ist eine Tür“, sagte Sug und rannte los, das Gefäß fest an sich gedrückt.
Schnell hatte Morgan zu Sug aufgeschlossen, sie passierten eine kleine, hölzerne Seitentür, die raus auf den Friedhof führte. Sug stoppte, sah sich um, doch es war zu spät. Higgins war wie vom Erdboden verschluckt.
„Und jetzt?“, fragte Sug und wandte sich zu Morgan um.
„Jetzt sind wir zum Staatsfeind Nr. 1 aufgestiegen, zumindest in Hitchwick. Wir müssen zurück und die Pentagramme versiegeln, bevor die Hexe und wer weiß was noch auf uns angesetzt wird“, erklärte Morgan, während sie Richtung Auto davon stürmte.
„Das ist seit einiger Zeit das Vernünftigste, was ich von dir höre.“
„Ich weiß, dass ich es verbockt habe und du kannst mich gerne absauen, das habe ich ohne Zweifel verdient, allerdings bitte ich dich, dir das aufzusparen, jetzt haben wir Wichtigeres zu tun.“
„Dann kann ich mich darauf verlassen, dass du ab jetzt deine Gefühle beiseite und deinen Kopf zusammen lässt?“
„Ja!“, antwortete Morgan reumütig.
Sie hatten weder den gewünschten Erfolg gehabt, noch hatten sie ein Mitglied dieser Bande festsetzen können und es war allein ihr Fehler gewesen, dessen war sich Morgan schmerzlich bewusst. Es war einfach über sie gekommen, die Wut mit all ihrer Unlogik hatte sie überschwemmt. Hätte sie ihn erschossen? Morgan wusste es nicht, vielleicht hätte sie im letzten Moment ihr Verstand davon abgehalten, doch sie hatte es gewollt. Ein Teil von ihr hatte sein Leben für das der Mädchen eingefordert.
Morgan stieg ins Auto, sicherte die Pistole und verstaute sie im Handschuhfach, während Sug damit beschäftigt war, das Gefäß in eine schwere Eisenkiste zu legen und sie sorgsam wieder zu verschließen.
„Zumindest haben wir für den Orden ein nettes Präsent. Was glaubst du, wo haben sie die ganzen Geister her?“
„Entweder vom Friedhof, der liegt ja direkt vor der Tür oder es sind Personen, die zu viel nachgefragt haben.“
10. Kapitel
Lächelnd zupfte Mrs. Cooper an einigen Strähnen ihres mausgrauen, kurzen Haares. Es war schon enorm, wie sich die Zeiten änderten und sie fand es gut. Beim besten Willen hätte sie heute nicht mehr die Nerven, die Haare lang zu tragen. Umso älter man wurde, umso anstrengender wurden manche Dinge, Haare waschen, Zopf flechten oder die Haare gar kunstvoll oder einfach nur zweckmäßig hochstecken. So war es einfacher und angenehmer, zerwuselt war modern, ob Wind oder Mütze, die Frisur saß.
Still betrachtete sie sich einen Augenblick. Falten schmiegten sich an ihre Augen und ihre Lippen. In ihrem Alter blieben Falten nicht aus, wenn sie es sich recht überlegte, dann sah sie für ihr Alter verdammt gut aus. Ihre Augen strahlten in einem hellen Blau, ihnen hatte die Zeit nichts zu Leibe getan, nicht einmal ihre Sehkraft war angetastet worden, dafür ihre Gelenke. Im Ganzen konnte und wollte sie sich jedoch nicht beschweren. Es ging ihr gut. Sie hatte eine Aufgabe, eine sehr wichtige sogar, der sie sich mit Leib und Seele verschrieben hatte. So etwas half den meisten Menschen. Wenn sie einen Sinn in ihrem Leben sahen, begegneten sie diesem völlig anders. Es war nicht immer leicht diesen Sinn zu finden oder zu sehen, schwierig gestaltete sich auch stets eine Umstellung auf einen neuen Sinn. Mit so etwas hatte sie sich zum Glück nie rumschlagen müssen, der Sinn ihres Lebens hatte sie gefunden, es war nicht nötig gewesen zu suchen. Schon das Leben ihrer Mutter und deren Mutter hatte dieser Sinn, diese Aufgabe erfüllt, durchdrungen.
Es war schwierig
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