Die Hexe von Hitchwick
weiter zu verärgern. Allerdings war das nicht schwer, denn wenn sie einmal sauer war, dann kam sie schlecht runter, umso schneller aber noch höher.
Ihre Beine wollten einfach nicht weitergehen, sie verlangsamten von selbst ihre Schritte, das hatte wirklich nichts mit Trotz zu tun. Sie fiel einige Schritte zurück, was ihr einen ziemlich bösen Blick einbrachte. Starke Zweifel stiegen in ihr auf, dass ihre Mutter ihr glauben oder gar Verständnis zeigen würde, wenn sie ihr erklärte, nicht sie, sondern ihre Beine weigerten sich, schneller zu gehen. Ein flaues Gefühl beschlich Leonie, nur noch wenige Schritte bis zur Haustür. Der Drang wegzulaufen schoss plötzlich durch ihren Kopf, ihren Körper.
Waren das wirklich nur die Nachwirkungen von gestern? Eine leise Stimme in ihrem Kopf flüsterte nein . Der verzweifelte Drang, von diesem Ort wegzukommen, hatte einen anderen Grund. Vorahnung. Warnung. Etwas Schreckliches wartete in dem Haus, etwas, vor dem sie sich in Sicherheit bringen musste.
Das sind nur meine überdrehten Nerven, sprach sie sich Mut zu.
In dem Haus wartete nichts, nichts Schlimmes jedenfalls.
Mrs. Smith kramte in ihrer Handtasche nach dem Haustürschlüssel, als die Tür von innen geöffnet wurde und ein mittelgroßer Mann erschien. Eisengraue Strähnen zogen sich auf eine sehr elegante Art durch sein ansonsten dunkelbraunes Haar. Er wirkte wie ein Geschäftsmann, was weniger mit dem Anzug zu tun hatte, den er trug, als viel mehr mit seiner autoritären Ausstrahlung.
„Ich habe euch vom Fenster aus gesehen. Ich warte schon eine ganze Weile.“
Morgan sah Sug mit kritischem Erstaunen an. Nach den vielen Diskussionen war sie äußerst überrascht, dass Sug ihr einfach zugestimmt hatte. Mehr noch, sie hielt es sogar für eine gute Idee, dass sie sich aufteilten. Zu ihrer eigenen Überraschung spürte Morgan einen leisen Zweifel in sich aufsteigen.
War es wirklich eine gute Idee sich in dieser Situation zu trennen? Sie waren nun einmal nur zu zweit, was sollten sie anderes tun?
Es gab am Eingang des Dorfs das Pentagramm und das Haus der Smith mit seinen Durch- und Eingängen. Higgins würde Alarm schlagen oder hatte es im schlimmsten Fall schon. Sie mussten sich beeilen und einige Vorsichtsmaßnahmen treffen. Zudem hatte Morgan etwas vor, bei dem sie die mahnenden Worte ihrer Freundin nicht gebrauchen konnte und schon gar nicht ihre Versuche, sie davon abzuhalten. Die Zweifel schwiegen.
„Glaubst du das Tetragrammaton wird stark genug sein, um den Durchgang zu verschließen ? Oder sichere ich es noch mit dem Ring ab?“, fragte Sug und kramte in ihrer Tasche nach etwas.
„Da es zwar schon dunkel wird, es aber selbst für ein Dorf noch zu früh zum Schlafengehen ist, würde ich sagen, wir riskieren es, auf den Ring zu verzichten. Eine Erwachsene, die mit Kreide auf der Erde herum malt, ist schon auffällig und merkwürdig genug, wenn sie auf ihr Kunstwerk auch noch einen vermeintlichen Tortenring legt, dürfte das zu ungeahnten Irritationen führen.“
„Das denke ich auch“, stimmte Sug zu, griff in einen ledernden Beutel, den sie aus ihrer Tasche herausgekramt hatte, und ließ ein bräunlich-graues Pulver erst über Morgan und dann über sich selbst rieseln.
„Beifuß. Ich habe eine ganze Wagenladung davon mitgenommen, nur für den Fall, dass wir es mit einer Hexe zu tun haben, was wir ja haben.“
„Gut. Ich dachte schon, du willst uns für die Unterwelt ein bisschen schmackhafter machen. Beifuß, als Abschreckung vor Hexen, ist natürlich etwas anderes. Dir ist aber bewusst, dass wir es hier mit einer ziemlich mächtigen Hexe zu tun haben, es wird sie nicht lange fernhalten.“
„Sehr richtig, wir haben es hier mit einer sehr mächtigen Hexe zu tun, deswegen bin ich der Meinung, mehr ist manchmal mehr.“
„Wenn du mich nicht noch mit etwas anderem bewerfen willst, dann wird es Zeit.“
Sie hatten wieder in der Nähe von Mrs. Coopers Haus geparkt, allerdings so, dass man das Auto von dort aus nicht sehen konnte. Sie stiegen aus, gingen um das Auto herum und öffneten den Kofferraum. Morgan zog einen Gegenstand unter den Taschen heraus, der in ein altes vergilbtes Leinentuch eingeschlagen worden war. Behutsam schlug sie das Tuch auf, entnahm einen dunklen, hölzernen Pflock und hielt ihn Sug hin.
„Ich habe es mit einem Tor zu tun, du mit mindestens zwei. Ich werde auch gut ohne den Bergrüster-Pflock auskommen“, erklärte Sug und schüttelte zur Untermauerung ihren
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