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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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»Susanna und die Greise« betitelt, aber mir blieb am Tage nicht ein Augenblick Zeit, um mich daran zu erfreuen. Mir war, als befände ich mich im Auge eines Sturmes der Habgier. Meine Arbeit kam mir vor wie das ehrenhafteste Unterfangen in einer Hölle der Gesellschaft, welche darauf versessen war, die Reichtümer der Krone durch des Königs Getändel zu verprassen.
    Wenn der Sturm nachließ, wurde er durch eine neue Kunde wieder entfesselt. Nun ging das Gerücht, Prince de Soubis plane, mit den Einkünften seiner Gemahlin seine neue Stadtresidenz zu bauen, was den Hof vor Mißgunst lodern ließ. Ich sah das Gebäude einmal kurz in der Tiefe der Wasservase schimmern, einen riesigen Palast im Herzen der Stadt. Kein schlechtes Entgelt dafür, seine Gattin für ein paar ehebrecherische Nächte klaglos freizugeben.
    Wenn ich mir meine Notizbücher aus jener Zeit ansehe, finde ich zwischen gekritzelten Eintragungen über die geheimen Wünsche der Erlauchten eine einzelne Anmerkung:

    Wer hat heutzutage ein Recht auf ein reines Gewissen, bei allem, was die Menschen tun, um zu leben? Sogar Marie Angélique fürchtete das Höllenfeuer, dabei war sie die Güte selbst.

    Und dann sehe ich wieder vor mir, wie ich mich auf das Intrigenspiel einließ, um ihren Geist von mir fernzuhalten. Doch Nacht für Nacht hörte ich ihre Stimme: Schwester, du kennst zu viele garstige Menschen.
    »Marie-Angélique«, murmelte ich dann halb im Schlaf, »garstig sind sie alle, daran läßt sich nichts ändern.«

    »Dieser Lumpensack! Dieses Stück Kehricht! Wie kann sie es wagen, zu denken, sie könne mich bedrohen!« La Montespans Wutgeschrei war durch die halb geöffneten Türen ihrer weitläufigen Gemächer in Versailles bis ins Erdgeschoß zu hören. Ich hatte alle Verabredungen abgesagt, war in höchster Eile in ihrer schweren Kalesche über vereiste Straßen gefahren und wartete nun wie ein Lakai, während sie ihrer schlechten Laune freien Lauf ließ. Gut, dachte ich, als ich etwas aus Porzellan an die Wand krachen hörte, lieber draußen vor dem Zimmer als drinnen. Ich lugte hinein und sah sie wie eine Tigerin auf dem blaugoldenen Savonnerieteppich auf und ab rasen; wenn sie umkehrte und sich auf das Fenster zubewegte, stieß sie mit dem Fuß ihre Schleppe aus dem Weg. »Ich schwöre, sie wird ihn nicht bekommen«, schrie sie und hob die Faust zum Fenster. »Niemals!« Sogar die Glasscheiben schienen vor ihrem Zorn zu erzittern. Ihr Korsett kam mir lockerer vor. Ihre Schwangerschaft wurde sichtbar. Die kurzzeitige Versöhnung war vorüber, und der König war wieder auf der Jagd nach einer Frau. »Ich werde wegen dieser bleichgesichtigen, intriganten Kanonisse nicht alles verlieren!«
    »Madame, die Wahrsagerin«, verkündete eine ihrer Damen vorsichtig, in großer Angst, sich ihr zu nähern. Sie drehte sich abrupt um.
    »Ah, Ihr seid es! Die schwarzgewandete Verkünderin des Unheils.« Ihr Gesicht war verzerrt vor Wut und einer sich dahinter verbergenden Furcht. »Warum wende ich mich immer an Euch? Weil Ihr mir die Wahrheit sagt. Die anderen lügen alle. Wahrheit ist es, was ich jetzt brauche, um meine Pläne zu fassen.« Sie wirkte mit einem Mal ruhig und bedrohlich. Sie schritt mitten durch das Gemach und sprach zu ihrem wartenden Lakaien: »Bringe einen Schemel und Wasser für die Marquise de Morville. Dann hinaus mit allen.« Ihre Zofen flohen schweigend, wie Blätter, die der Sturm vor sich herfegt. Das Licht vom Fenster fing sich auf dem ausladenden Tisch aus massivem Silber. Eine Tischuhr, deren Zifferblatt von Nymphen gestützt wurde, tickte behäbig. Neben ihr rollte ich mein kabbalistisches Tuch aus. Ein Diener brachte einen vergoldeten Schemel mit einem blau-silbernen Tapisseriekissen an den Tisch, indes ein anderer aus einem silbernen Krug mit langem Schnabel mein Wasserglas füllte. Lautlos entfernten sie sich, die große Flügeltüre schloß sich hinter ihnen, und ich setzte mich, um im Wasser zu lesen.
    »Madame hat die Ehre, das Kind Seiner Majestät zu erwarten«, sagte ich leise, so daß die an die geschlossene Türe gepreßten Ohren nichts hören konnten.
    »Ja, ja, natürlich, das ist kein Wunder der Prophezeiung. Jetzt ist die Zeit, da er streunen geht, wie jeder Köter am Hofe weiß. Ich biete ihm meine Zofen, ich biete ihm meine Nichten, aber nicht einmal das stillt seinen unendlichen Appetit. Er verletzt mich. Er vernichtet mich. Die anderen lügen alle. ›Ich sehe in den Karten, daß Ihr nie die Gunst

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