Die Hexe von Paris
Mann mir gefällt, nehme ich ihn. Ich bin mächtig genug, um meine Wahl zu treffen. Du hingegen bist zu feige, dich zur Herzogin zu machen. Oh, aber ich vergesse, du bist eine Aristokratin – ich nehme an, daß sich deswegen alles innerhalb deiner Familie abspielt?«
»Dafür werde ich Euch töten!« kreischte ich und sprang aus dem Bett, um sie anzugreifen. Sie trat zurück und zog ein tückisches kleines Messer aus dem Ärmel.
»Ha! Tritt näher, meine Süße, und sieh, wer wen tötet«, sagte sie; ihre schwarzen Augen blickten gebieterisch.
»Ich schwöre, ich tu's.«
»Alles nur Zeitverschwendung«, erklärte sie ruhig. »Du tätest besser daran, deinen Oheim zu töten, der deine Schwester verkauft hat und dich zu vernichten trachtete. Schicke ihm einen Almosenkorb mit Fleischpastetchen ins Gefängnis, und damit ist alles erledigt.« Sie steckte das Messer in ihren Ärmel zurück. Es machte ein merkwürdiges Geräusch, als es in seine verborgene Scheide glitt.
»Ihr – Ihr seid abscheulich –«
»Und du nicht?« höhnte sie. Sie neigte den Kopf zur Seite und stemmte die Hände in die Hüften. »Aber wenigstens bist du jetzt aus dem Bett. Sylvie, kleide sie an – das Grauseidene – , ich sehe indessen nach, ob Manon in der Küche fertig ist.«
Als ich sie durch die Schlafzimmertüre verschwinden sah, war ich ungeheuer aufgebracht. Vermaledeit. Wiederum benutzt. Gegängelt. Wann würde ich endlich lernen, mich nicht von ihr übertölpeln zu lassen? Diesmal hatte sie meinen Zorn ausgenutzt, um mich gegen meinen Willen aus dem Bett zu bekommen. Ich war überlistet worden; vielleicht wurde mein Hirn tatsächlich weich. Ich wollte mich nicht übertölpeln lassen von – von einer, die nicht einmal Latein lesen konnte.
»Was rieche ich da?« Ein seltsamer Geruch nach verbranntem Kork drang nach oben. »Sylvie – ist das Kaffee?«
Ein Rascheln von Taftunterkleidern kündete die Rückkehr der Hexenmeisterin an, und ihre Stimme antwortete von der anderen Seite des Wandschirmes, hinter dem ich mich ankleidete: »Türkischer Kaffee. Ich genieße ihn in letzter Zeit reichlich. Ich habe Manon mitgebracht, dir eine Kanne voll zu brühen. Du wirst ihn trinken. Ich nehme selbst ein Schlückchen. Er mundet mir vorzüglich.«
»Aber – aber ist er nicht teuer?« fragte ich. Sie war nun zu mir getreten, um zu sehen, wie weit Sylvie mit meinem Korsett und meinen Unterkleidern vorangekommen war.
»Freilich. Aber er schärft den Verstand. Der deine ist recht stumpf geworden. Ich habe ein ganzes Viertelpfund genommen. Keine Sorge – ich schlage es einfach auf deine Rechnung.« Sylvie war unterdessen damit befaßt, die zahllosen Knöpfe an meinem grauseidenen Kleid zu schließen.
»Meine Haare –«, sagte ich und griff mit einer Hand nach dem Wirrwarr auf meinem Kopf.
»Fürs erste knote sie einfach im Nacken, Sylvie«, befahl La Voisin. »Die Spitzenhaube genügt. Die Marquise braucht heute nicht auszugehen, sie wird zu Hause empfangen –« Der Taft knisterte geschäftig, als sie uns hinter dem Wandschirm allein ließ. Ich vernahm ein Klappern, als Manon, La Voisins Stubenmädchen, ein Tablett auf den Tisch jenseits des Wandschirmes stellte. Als ich hervorkam, sah ich zwei dampfende Kannen, zwei weiße Porzellantassen und La Voisin, die sich soeben in meinem besten Lehnstuhl niedergelassen hatte.
»Ihr versteht nicht«, sagte ich, als ich ihr gegenüber Platz nahm, »meine Schwester ist tot –« Manon schenkte mit geübter Hand zu gleicher Zeit heiße Milch und heißen Kaffee aus den kleinen Kannen ein. »Meine schöne Schwester. Getötet von –«
»Ich weiß, ich weiß. Duc de Vivonne. Nicht die erste, nicht die letzte. Bilde dir nicht ein, du könntest Rache an ihm nehmen – er ist nicht nur mächtig, er kennt zu viele Leute von der falschen Sorte.« Seltsame Worte von La Voisin, wenn man bedachte, daß sie selbst nicht ganz von der richtigen Sorte war.
»Ich weiß«, sagte ich seufzend. »Ich könnte mit dem Kopf in den Dielen der Zimmerdecke enden.«
»Sehr richtig. Merke dir, die wirklich Erlauchten sind für dich unerreichbar, es sei denn, wir handeln unter dem Schutz eines noch mächtigeren Gönners. Andernfalls bedeutet es den Tod, gewöhnlich von einer gänzlich unerwarteten Seite. Dies ist ein Gesetz des Handelns – eines, sollte ich hinzufügen, das La Bosse noch nie beherrscht hat.« Die Kaffeetasse klapperte, als die Wahrsagerin sie auf die Untertasse stellte. Das Geräusch veranlaßte den
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