Die Hexe von Paris
ihre Augenbrauen waren zornig zusammengezogen, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre schwarzen Augen sahen mich abschätzig an.
»Du weißt, daß ich an meinem größten Werk arbeite, dennoch bedrängst du mich, alles hinzuwerfen und zu fliehen. Wer hat dich dazu angestiftet? La Trianon, die sich in alles einmischen muß? Nein – nein. Es ist La Bosse selbst. Du hast sie gesehen, nicht wahr?«
»Freilich – das habe ich Euch doch gesagt.«
»Du warst bei ihr, und sie wünscht, daß ich meinen großartigen Plan aufgebe – wieviel hat sie dir gezahlt, du Närrin? Was hat sie dir geboten, du gescheiterte Wahrsagerin? Dir wieder zu Einfluß zu verhelfen? Das kann nur ich allein – sie ist nichts, nichts!« La Voisin schritt in ihrem kleinen Kabinett auf und ab; der bloße Gedanke an La Bosses Machenschaften brachte sie in Wut.
»La Bosse hat mir nichts geboten – und auch sonst niemand. Ihr wißt, daß wir alle verloren sind, wenn man sie ergreift. Deswegen mußte ich Euch meinen Verdacht mitteilen.« La Voisin blieb stehen und sah mich unverwandt an. In der Stille konnten wir das Geschrei und das Getrappel der Kinder hören, die in einem anderen Zimmer spielten.
»Ja«, sagte sie, »ja, das ist bezeichnend für deinen Charakter. Du bist wahrhaftig töricht genug zu denken, du müßtest etwas Gutes tun.« Sie lächelte ihr unheimliches kleines Lächeln.
»Dumme, dumme Kleine, weißt du nicht, daß ich deinen Mutmaßungen nur Glauben schenken würde, wenn du selbst die Flucht ergriffest? Dann wüßte ich, daß du daran glaubst und es mir nicht nur erzählst, weil du einen hinterlistigen Zweck verfolgst. Jetzt aber werde ich nachdenklich. Du hast nie gelernt, wie eine Hexe zu denken – oder auch nur wie eine Hofdame. Nicht einmal der Dämon wollte dich haben. Deine Seele hatte einen Makel. Du bist innerlich wie äußerlich fehlerhaft. Ach, es ist ein Jammer! Soviel Verstand, ein so großes Talent – verschwendet!«
»Das müßt Ihr mir nicht sagen. Ich gehe jetzt.« Ich erhob mich von dem kleinen gepolsterten Schemel, den sie mir angeboten hatte.
»Und nun bist du gekränkt. Lerne, dich mit der Wahrheit abzufinden, und höre mir zu. La Bosse ist eine ungehobelte Alte, deren sich ein paar mindere Hofleute und eifersüchtige Liebende bedienen. Selbst wenn man sie ergreift, werde ich nicht betroffen sein. Ich bin durch tausend Verpflichtungen und Ängste mit den allerhöchsten Familien des Landes verbunden. Aus Furcht vor Bloßstellung werden sie niemals zulassen, daß man mich ergreift. Und mein Einfluß reicht über Grenzen hinweg, in Gefängnisse hinein, in Verhörkammern. In ganz Paris stehen Leute in meinem Sold. Sollte es jemals an der Zeit sein zu fliehen, werden meine Leute es mir sagen. Der Milord wird ein Schiff zur Verfügung stellen, für mich und die Meinen – auch für dich. Also höre auf, dich zu grämen und mich mit deinen Einbildungen und Ängsten zu belästigen.«
»Madame, ich flehe Euch an, Ihr dürft La Reynie nicht unterschätzen. Ihr hattet nicht wie ich Gelegenheit, ihn kennenzulernen. Er ist unversöhnlich, unbestechlich und – und – nicht dumm, obwohl er ein Mann ist!«
»Schöner Vogel! Kluger Lorito!« Großmutters Papagei stolzierte auf und ab und besah sich in seinem Neujahrsgeschenk, einem Spiegelchen, das an seiner Stange befestigt war. Wie bezeichnend für d'Urbec, zu wissen, was einem Vogel Freude macht.
»Florent, seit du zurück bist, ist der Vogel eitel wie ein Pfau! Schämst du dich nicht, ihn dermaßen verdorben zu haben?«
»Eitler Vogel. Schöner Vogel«, erklärte der Papagei, während er sich vor dem Spiegel putzte.
D'Urbec, noch im Schlafrock, die Füße auf einen Schemel gestützt, stellte seine Tasse neben sich auf den Tisch und betrachtete den Papagei mit selbstzufriedener Miene. »Papageien und Schoßhunde können mir nicht widerstehen. Nur Katzen und ich kommen nicht miteinander aus. Findest du das nicht bedeutsam?«
»Du meinst, deswegen könnt ihr euch nicht leiden, Madame und du? Ich denke, Katzen sind nicht der einzige Grund. Und du hast mir immer noch nicht erzählt, warum sie dich in Gegenwart von Madame de Poulaillon aus dem Hause werfen ließ.«
»Ich hatte gehofft, du würdest es nicht erfahren. Das zeigt, daß ich dich niemals unterschätzen sollte.«
»Ich will es wissen, Florent. Ich muß es wissen, für den Fall, daß ich merkwürdige Geschenke erhalte. Parfümierte Handschuhe zum Beispiel, oder eine Flasche Wein. Und du müßtest
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