Die Hexe
Tisch.
»Was für niedliche Fischchen«, kommentierte Kornilow, als er die kunstvoll geschnitzten Haifischfiguren betrachtete.
»In diesen Artefakten verbirgt sich ein Zauber, den man Fischernetz nennt«, erläuterte der Naw. »Es blockiert die Fähigkeiten eines Magiers, genauer gesagt, es verhindert, dass seine magische Energie ihre Wirkung entfaltet. Dazu genügt es, dass Sie den Anstecker an seiner Kleidung befestigen – das Artefakt wird automatisch aktiviert. Das Beste daran ist, dass der Magier die Wirkung des Fischernetzes erst bemerkt, wenn es zu spät ist, nämlich dann, wenn seine beabsichtigten Zauber versagen.«
»Kann er denn den Anstecker nicht einfach abnehmen? «, wandte der Major ein.
»Selbstverständlich«, räumte Ortega bereitwillig ein. »Deshalb empfiehlt es sich, das Artefakt in Kombination mit Fesseln oder Handschellen zum Einsatz zu bringen. «
»Das heißt, wenn wir dem Zauberer diesen Anstecker verpassen, wird er zu einem völlig normalen Menschen? «, präzisierte Schustow. »Wir können ihm einfach Handschellen anlegen und ihn in aller Ruhe ins Präsidium bringen?«
»Genau vor dieser Sorglosigkeit muss ich Sie warnen«, antwortete der Naw ernst. »Erstens brauchen Sie sehr viel Glück, um den Anstecker überhaupt anzubringen. Das funktioniert nur, wenn der Zauberer äußerst unaufmerksam ist. Und zweitens lässt sich die Frau, um die es im konkreten Falle geht, von einem solchen Artefakt nicht aufhalten.«
»Ist das alles, was Sie mitgebracht haben?«
»Ja«, nickte Ortega.
»Und wenn der Magier uns angreift?«, fragte Kornilow. »Wie können wir uns gegen ihn zur Wehr setzen? «
»Wenn ein Kriegsmagier Sie angreift, haben Sie keine Chance«, gab Ortega unumwunden zu. »Er macht mit Ihnen, was er will.«
»Kann man ihn denn nicht irgendwie töten?«, warf Schustow ein.
Angesichts dessen, dass Kornilow und Schustow sich normalerweise nicht an bewaffneten Einsätzen beteiligten, war das eine eher rhetorische Frage. Doch da Ortega von den eher subtilen Arbeitsmethoden der beiden Polizisten nichts wusste, antwortete er in vollem Ernst.
»Töten kann man jeden Magier. Sie werden es mit Humos … ähm … mit Menschen zu tun bekommen. Sie können also das ganze übliche Arsenal zum Einsatz bringen: Schusswaffen, Stichwaffen, Gift, Gas, die blanken Fäuste, was Sie wollen. Dass ein Magier sehr schmerzunempfindlich ist, lange den Atem anhalten und Giftstoffe aus seinem Körper entfernen kann, steht auf einem anderen Blatt. Überlegen Sie es sich deshalb sehr gut, bevor Sie sich auf eine Auseinandersetzung einlassen.«
»Aber eine Kugel im Kopf würde ihn aufhalten, nicht wahr?«, beharrte der Kapitän.
»Eine Kugel im Kopf hält jeden auf«, bestätigte Ortega und erhob sich. »Mit Ihrer Erlaubnis werde ich mich nun zurückziehen. Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen. «
»Ganz unsererseits«, rief der Major dem Nawen hinterher, der sich bereits zum Gehen gewandt hatte.
Was den Schusswaffengebrauch betrifft, hatte Ortega den Polizisten nicht die ganze Wahrheit erzählt. Für Morjanen, Panopten und Chwanen waren Bleigeschosse im Kopf nicht viel schlimmer als ein lästiger Mückenstich. Und nicht zuletzt die Nawen selbst ließen sich mit Kugeln nur sehr vorübergehend außer Gefecht setzen.
Und noch eine Kleinigkeit hatte der Naw verschwiegen. In den Artefakten, die er den Polizisten ausgehändigt hatte, waren Überwachungsmodule eingebaut und die Inneneinrichtung der Sonderermittlungsgruppe flimmerte bereits auf den Bildschirmen der legendären Vegasianer, jener beiden berühmten Computerspezialisten, die als persönliche Analytiker für den Kommissar des Dunklen Hofs arbeiteten.
Städtisches Mietshaus
Moskau, Baikalskaja-Straße
Samstag, 30. September, 15:40 Uhr
Die Eingangstür der kleinen Wohnung öffneten die Chwanen mit Hilfe von Sprengwurzextrakt . Die ätzende Flüssigkeit aus der Sprühdose verwandelte das billige Schloss im Handumdrehen in rostige Brösel und die Vierarmigen gelangten rasch in den winzigen Flur. Andere Hausbewohner bekamen von alledem nichts mit. Die Chwanen hatten zur Sicherheit ein Trugbild erzeugt, das sie vollständig unsichtbar machte.
»Wahrscheinlich hat er sich längst abgesetzt«, mutmaßte Leka, als der abgestanden-muffige Geruch in seine Nase stieg. »Diese Wohnung hat seit mindestens vierundzwanzig Stunden niemand mehr betreten.«
»Hier muss irgendwo ein Artefakt sein«, flüsterte Muba, der einen schwachen
Weitere Kostenlose Bücher