Die Hexe
Impuls magischer Energie spürte. »Und sieh mal, wer da kommt …«
Leka senkte den Blick. In der Wohnzimmertür erschien eine halbverhungerte, schwarze Katze, die jämmerlich miaute.
»Die hat schon lange niemand mehr gefüttert«, konstatierte der junge Chwan.
»Ihr Herrchen ist auch gar nicht mehr in der Lage dazu. « Muba sprach jetzt in normaler Lautstärke und betrat das Wohnzimmer. »Wir sind zu spät gekommen.«
Jewgeni Grigorjewitsch, der Mittelsmann, der Muba für den Mord an Waliko Garadse angeheuert hatte, saß mit hängendem Kopf leblos auf einem Lehnstuhl. Seine dürren Arme hingen herab und seine Stirn zierte ein makelloses Einschussloch.
»Ist er schon lange tot?«, erkundigte sich Leka geschäftig.
»Etwa dreißig Stunden.« Mit dem Kennerblick des erfahrenen Killers begutachtete Muba den Leichnam. »Ein Magier hat ihn umgebracht. Er hat ihn auf konventionelle Weise getötet und dann einen selbstzerstörenden Mumifikator aktiviert, um seine Spuren zu verwischen. «
Unter dem Lehnstuhl lag ein kleiner schwarzer Würfel, von dem magische Energie abstrahlte. Der Mumifikator verhinderte die Verwesung des Leichnams und machte es so unmöglich, den genauen Todeszeitpunkt festzustellen. Normalerweise wurde er auf fünf bis sieben Tage eingestellt und nach Ablauf dieser Zeit löste sich das Artefakt in Staub auf. Alternativ konnte man den Selbstzerstörungsprozess mit einem externen Sender auslösen.
»Auf welche Zeit ist der Mumifikator eingestellt?«
»Auf gar keine mehr«, brummte Muba. »Der Mörder hat einen Sender an der Tür installiert, und als wir die Wohnung betraten, wurde die Selbstzerstörung ausgelöst. «
Der Würfel zerfiel vor den Augen der Chwanen.
»Jetzt wird es schwierig, unseren Auftraggeber zu finden«, bedauerte Leka zerknirscht. »Der Dreckskerl hat offenbar an alles gedacht.«
Die Perspektive der Nachtfalterjagd auf den Drogen-plantagen im Altai rückte näher denn je.
»Wir können nur hoffen, dass dieser Humo kein völliger Trottel war.« Muba deutete mit einer Kopfbewegung auf den Toten. »Als Mittelsmann bei solchen Mordkomplotten steht man immer schon mit einem Bein in der Grube. Wenn er klug war, hat er sich irgendwie abgesichert.«
»Aber dann hätte man ihn doch nicht umgelegt«, wandte Leka ein.
»Er wurde direkt an der Türschwelle erschossen.« Muba hatte die Spuren längst analysiert. »Erst danach hat man ihn ins Wohnzimmer geschleift und auf den Stuhl gesetzt. Der Mann hatte keine Zeit mehr zum Verhandeln. «
»Oder er hatte kein Faustpfand in der Hand.«
»Hoffen wir das Beste.« Der ältere Chwan sah sich im Zimmer um. »Wir werden die Bude hier völlig auseinandernehmen, und wenn wir Glück haben, finden wir doch noch einen Hinweis.« Muba legte seine Jacke ab. »Vorwärts, Leka, beeilen wir uns, in ein paar Stunden wird es hier ziemlich übel zu riechen beginnen.«
Lautlos und flink durchsuchten die Vierarmigen die Wohnung. Sie rissen die Kleidung aus den Schränken, blätterten die wenigen Bücher durch, klopften die Möbel und den Parkettboden ab. Nachdem sie im Wohnzimmer nichts gefunden hatten, nahmen sie sich auch den Flur und die Küche vor.
Das Versteck fanden sie schließlich in einem Lüftungsschacht. Dort hatte man säuberlich einen Nagel eingeschlagen, an dem ein zusammengefalteter Zettel in einer Schutzfolie hing.
»Da ist was!«, verkündete Leka freudestrahlend, als er das Fundstück hustend aus dem staubigen Schacht fischte und es Muba in die Hand drückte. »Du hattest Recht.«
Der Chwan faltete das Papier auseinander:
»Wenn ihr diese Zeilen lest, bedeutet dies, dass ich nicht mehr am Leben bin. Ich weiß, wer mich auf dem Gewissen hat. Mein letzter Auftrag hatte mit dem Mord an dem Schwerkriminellen Waliko Garadse zu tun, ich sollte einen Killer für ihn anheuern. Ein Bandit namens Zorro hat mich dazu beauftragt, doch ich weiß genau, dass hinter diesem Zorro ein gewisser Edik steht – ein stadtbekannter Mafioso.«
»Wir haben den Auftraggeber!« Muba ging in den Flur hinaus. »Hier haben wir nichts mehr verloren!«
»Warte doch!«
»Was denn?«
Leka bückte sich und nahm die schwarze Katze auf den Arm. »Sie hat doch kein Herrchen mehr.«
»Und was willst du mit ihr?«
»Wir schenken sie Fet. Das stimmt ihn vielleicht milde.«
»Das glaube ich kaum«, winkte Muba augenzwinkernd ab. »Aber nimm sie trotzdem mit, bevor das arme Tier hier elend verhungert.«
Städtisches Mietshaus
Moskau, Schirokaja-Straße
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