Die Hexe
ein schlanker junger Mann mit Igelschnitt und stahlgrauen Augen, die erfreulicherweise auf ihrem Gesicht ruhten und nicht in ihrem Dekolleté.
»Rum-Cola eins zu drei.«
»Woher wissen Sie, was ich trinke?«
»Ich beobachte Sie schon, seit sie die Bar betreten haben.«
»Das ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Ich kann mein Interesse ganz gut verbergen.«
»Warum verbergen Sie es dann nicht auch weiterhin? «
Der Mann lächelte – weder verlegen noch enttäuscht – er amüsierte sich einfach über die gelungene Replik.
»Ich würde gern das Lokal wechseln. Hier ist es langweilig. Und es wäre mir eine Freude, wenn Sie mich in irgendein anständiges Etablissement begleiten würden. «
»Und wozu?«
»Um zu plaudern. Ich glaube, ich könnte mich die ganze Nacht mit Ihnen unterhalten. Ich heiße übrigens Artjom.«
»Larissa.«
Artjom Hand war nicht so groß wie Arnolds Schaufeln, aber eisenhart und kräftig, sein Händedruck nicht grob, aber fest. Larissa nippte an ihrem Cocktail und musterte ihren neuen Verehrer unverwandt. Sein Gesicht wirkte sympathisch, hatte jedoch nichts Außergewöhnliches. Auch seine Kleidung – eher unauffällig: schwarze Lederjacke, schwarzes T-Shirt, schwarze Hose. Bemerkenswert an diesem Mann war etwas anderes: sein äußerst souveränes Auftreten. Selbst an dem hünenhaften Arnold, dem es gewiss nicht an Selbstbewusstsein mangelte, bemerkte Larissa eine gewisse Affektiertheit, ein etwas gekünsteltes Gehabe, das den Wunsch, zu gefallen, verriet. Dieser Artjom dagegen schien völlig in sich zu ruhen wie jemand, der seinen Wert kennt und darauf pfeift, was andere über ihn denken.
»Freut mich sehr, Larissa. Darf ich du sagen?«
»Natürlich. Und wohin möchtest du mich einladen?«
»Es gibt da ein wunderbares Lokal, wo uns niemand stören wird und wo selbst Freunde von mir, wenn sie sehen, dass ich nicht allein bin, sich dezent abwenden würden.«
»Und keine größeren Runden wie hier?«
»Was für größere Runden?«, fragte Artjom verständnislos. »Kommt überhaupt nicht infrage. Ich schwör’s dir beim Lächeln des Schlafenden, ich will nur mit dir zusammen sein.«
Der neue Verehrer gefiel Larissa immer besser, doch da war ja schließlich noch der Wikinger …
»Das klingt verführerisch, aber heute bin ich leider schon vergeben. Ich habe den Abend schon jemand anderem versprochen.«
»Man sollte sich nicht zum Sklaven seiner Versprechen machen. Man kann es sich doch auch mal anders überlegen und jeder wird dafür Verständnis haben.« Artjom lächelte. »Und außerdem: Aus einer größeren Runde kann man sich doch geräuschlos absetzen, das fällt doch niemandem auf.«
»Niemandem außer meinem Begleiter«, erwiderte die junge Frau und hob warnend den Zeigefinger.
»Wenn du in einer größeren Runde bist, kannst du gar keinen Begleiter haben, höchstens Trinkgenossen.«
Da hatte dieser Artjom nicht ganz Unrecht.
»Gibt’s irgendwelche Probleme, Darling?« Der herbeigeeilte Arnold legte Larissa ungeniert den Arm um die Schulter.
»Auf deinen Coup in der Bank, Gleb«, sagte Arnold und erhob das Wodkaglas. »Du musst ja einen ziemlich coolen Auftritt hingelegt haben.«
»Dein Job in der Schaukel war aber auch nicht von schlechten Eltern«, erwiderte der Dicke das Kompliment.
»Ich habe doch nur aufgepasst, dass nichts schiefläuft«, gab Arnold zu. »Das hat alles Kara gemacht.«
»Genauer gesagt, Dita.«
»Eben.«
»Aber du hast die Kassetten geklaut.«
»Und NTW zugespielt«, bestätigte der Wikinger. »Aber das war ja nicht weiter schwer. Auf dein Wohl, Gleb.«
»Zum Wohl, Arnold.«
Der gut gekühlte Wodka floss durch die Kehlen der Magier und inspirierte sie zu einem detaillierten Austausch über ihre Heldentaten.
Angeber, dachte Inga genervt und wandte sich ab. Wo ist denn eigentlich unsere neue Superhexe abgeblieben?
Sie entdeckte Larissa an der Bar, wo sie sich angeregt mit einem ausgesprochen sympathischen Mann in schwarzer Lederjacke unterhielt. Dieser Typ sah überhaupt nicht wie ein Stammgast der Verliererbar aus. Das selbstbewusste Auftreten, das kurzgeschnittene braune Haar – irgendwo hatte sie ihn schon einmal gesehen …
»Da ist ein Söldner!«
»Was?« Die Männer geruhten, ihre selbstverliebte Unterhaltung zu unterbrechen und sich nach ihrer Begleiterin umzusehen.
»Guck mal, Arnold«, sagte Inga und deutete mit einem Kopfnicken zur Bar. »Während du dich hier mit Wodka abfüllst, baggert Cortes’ Kompagnon deine
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