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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gibt’s doch nicht«, platzte Ravenna heraus. »Seid ihr nun die Sieben oder nicht?«
    »Trotzdem gelten für uns dieselben Gesetze wie für alle anderen auch«, warf Viviale ein. »Das solltest du bereits gemerkt haben.«
    »Niemand wird Melisende etwas antun«, versuchte Josce die Runde zu beruhigen, doch sie sah nicht sehr überzeugt aus. »Sie ist eine Weise vom Odilienberg. So etwas ist noch nie vorgekommen.«
    Aber es wird vorkommen!, dachte Ravenna verzweifelt. Tausendfach, wenn wir nichts unternehmen. »Eure Freundin und der Junge werden morgen bei Sonnenaufgang verbrannt. Man wird sie bei lebendigem Leibe ins Feuer werfen«, stieß sie hervor. Und das ist erst der Anfang, dachte sie, doch diese Worte brachte sie nicht über die Lippen. Plötzlich bereute sie, aus der Zukunft zu kommen und diesen schrecklichen Wissensvorsprung zu haben.
    »Melisendes Natur ist das Feuer. Es wäre sehr töricht, sie in die Flammen zu stoßen«, stieß Mavelle hervor. Die kleine Elfe wirkte aufgebracht. »Und überhaupt: Wer würde auf so eine barbarische Idee kommen?«
    Ravenna schwieg.
    Lucian hatte den Platz an ihrer Seite nicht verlassen. Jetzt legte er ihr die Hand auf die Schulter. »Und wenn es wahr ist?«, fragte er. »Unsere Feinde haben uns bereits mehr als einmal durch ihre Grausamkeit überrascht. Wenn Melisende wirklich in Gefahr schwebt, sollten wir handeln.«
    »Ach, möchtest du jetzt anstelle des Königs die Entscheidungen fällen?«, bemerkte Nevere scharf. Denselben Tonfall hatte sie ihrem fuchsroten Ritter gegenüber angeschlagen, als er ihr den Mord an Beliar vorschlug. »Du musst dich noch ein bisschen gedulden, bevor du hier Ratschläge erteilst, denn noch gehörst du nicht vollgültig zu Constantins Runde. Erst wenn Ravenna die letzte Prüfung bestanden hat und dich immer noch an ihrer Seite haben will, wird es soweit sein.«
    Lucians Gesicht verdüsterte sich, aber er widersprach nicht.
    Seufzend klopfte ihm die Elfe auf die unverletzte Schulter. »Wenn du darauf bestehst, werde ich mit dem König reden«, schlug sie vor. »Wenn Constantin uns sicheres Geleit verspricht, reiten wir nach Straßburg, ob der Rat nun einwilligt oder nicht. Jetzt aber begebt euch endlich zur Festtafel! Die Gäste sind hungrig, doch sie werden nicht ohne euch zu essen anfangen.«
    Mit einem unguten Gefühl im Magen folgte Ravenna den Sieben zum Turnierplatz. Pagen trugen Speisen auf, bis sich die Tische bogen: Hühnerragout und Krebsfleisch, frischen Spargel und knusprige Pasteten, Wachteln, Ochsenbraten und am Spieß gegrilltes Schwein, dazu jede Menge Suppen, Saucen, Wein und frisches Brot.
    Als sie den Birkenhain betreten hatte, war Ravenna hungrig gewesen wie ein Steinmetz nach getaner Arbeit. Jetzt wurde ihr beim Gedanken an Wein und fettes Hammelfleisch beinahe übel. Sie beobachtete, wie Mavelle neben dem König Platz nahm.
    Als Verwandte saß Elinor ebenfalls in Constantins Nähe. Sie ließ die Speisen auf ihrem Teller unberührt und trank nur ab und zu vom Wein, der in ihrem Kristallpokal funkelte wie schwarzes Blut. Als sie Lucian und Ravenna bemerkte, prostete sie ihnen mit einem spöttischen Lächeln zu.
    Mit einer langsamen Bewegung nahm Ravenna die Krone der Maikönigin ab und legte sie zwischen sich und den jungen Ritter auf die Bank. Die Gedanken strömten ihr schwer und langsam durch die Adern, denn sie begriff, dass die Feinde ihnen einen Schritt voraus waren.
    Eine unschuldige Frau und ein kleiner Junge sollten die ersten Opfer des Hexenwahns werden – und zwar noch in dieser Nacht.
    Es hatte begonnen.

Das Erwachen
    Straßburg im Jahr 2011

    »Kannst du dich nicht wenigstens ein paar Tage um die Kätzchen kümmern? Nur übers Wochenende?« Mit dem Kugelschreiber kritzelte Yvonne Halbmonde aufs Papier und hörte sich wütend Claras Ausreden an.
    »Nein, ich kann sie nicht zu meinen Eltern bringen. Kannst du dir denn nicht vorstellen, was bei uns zu Hause los ist? Das Gasthaus ist geschlossen, der Nachbar versorgt das Vieh und meine Eltern wollen mit keiner Menschenseele reden. Stell dir mal vor, die Polizei hat sogar einen Beamten abgestellt, der Tag und Nacht bei uns im Wohnzimmer sitzt, für den Fall, das Ravenna entführt wurde und der Kidnapper sich meldet. Was, ich? Nein, ich glaube nicht an eine Entführung.«
    Der nächste Satz, der in dieser Unterhaltung fiel, sollte ihr noch lange durch den Kopf gehen. »Ich bin nicht cool! Ich bin überhaupt nicht cool!«, herrschte sie ihre Freundin an. Dann

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