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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erwartet dich schon, Lucian. Mit der Reitgerte in der Faust und dem Bauch voller Wut.« Ihre Stimme klang voller und tiefer, als man angesichts ihrer schlanken Gestalt vermuten würde. Norani war kaum älter als Yvonne.
    »Wenn du glaubst, dass das Eindruck auf mich macht …« Lucian zuckte die Achseln.
    Ravennas Herz pochte. Offenbar kannten sich ihr Ritter und die Magierin schon länger, denn sie sprachen in einem sehr vertraulichen Ton miteinander. Marvins Andeutungen in Bezug auf das Vorleben ihres Ritters fielen ihr ein – und die Tatsache, dass Lucian zusammen mit schönen, jungen Hexen aufgewachsen war. Die Eifersucht bohrte sich wie ein Dorn in ihr Herz. Ihre Laune sank noch weiter, als Norani lachte und den Ritter mit dem Besen in den Gang scheuchte, dass es nur so staubte.
    »Nun geh schon und trödle nicht länger!«, rief sie ihm zu. »Vielleicht kannst du Constantin mit deinem Hundeblick umstimmen, ehe er dich für eine Woche ins Loch steckt!« Im Handumdrehen versperrte der Stiel jedoch den beiden Schwestern den Weg. »Was wollt ihr hier?«, rief Norani. »Ein halb ausgewachsener Ritter und eine fremde Hexe? Derzeit nimmt der Konvent keine Gäste auf.«
    Bei dem Wort ›Hexe‹ lachte Yvonne fröhlich auf. Trotz der durchwachten Nacht und des langen Ritts sah sie hübsch aus. Ihre Haut wirkte hell und zart, die Augen blickten frisch und ihr Haar glänzte wie Gerstenstroh.
    Ärgerlich zog sich Ravenna die Kapuze des Kettenhemds vom Kopf. »Wo siehst du hier einen halbwüchsigen Ritter?«, grollte sie.
    Noranis Katzenaugen weiteten sich. Sie starrte auf Ravennas Stirn, wo sich das dritte Auge zeigte. »Ach du Schreck«, entfuhr es ihr. »Deine Gabe ist erwacht.«
    »Dann weißt du also, wer ich bin?« Ravennas Tonfall klang noch immer gereizt.
    »Jetzt schon. Alle hier reden von der Hexe aus der Zukunft, die behauptete, von Magie keine Ahnung zu haben und sich dann als Naturtalent entpuppte. Ich konnte allerdings nicht ahnen, dass du bei unserer ersten Begegnung in einem Aufzug erscheinst, als wärst du einer von Constantins Knappen.«
    Spöttisch glitt Noranis Blick über die Panzerung und die hohen Schnürstiefel, die Ravenna trug. Dann zuckte sie die Achseln. Anschließend deutete sie mit dem Besen wieder auf Yvonne. »Aber wer ist das? Und wieso sollte ich sie einlassen?«
    Lucian trat auf Ravennas Schwester zu und fasste sie am Arm, diesmal etwas sanfter als in der Küche des Gasthofs noch vor ein paar Stunden. »Yvonne muss vor dem Gericht der Sieben erscheinen«, erklärte er. »Sie steht unter dem Verdacht, schwarze Magie gewirkt zu haben.«
    Yvonnes Lächeln verblasste. Der funkelnde Spott in Noranis Augen verschwand. »Ich nehme an, du hast wie üblich einen begründeten Verdacht«, sagte sie und trat zur Seite. »In diesem Fall solltest du dich wirklich beeilen.«
    Der Ritter führte seine Gefangene in den Gang. »Schließ das Tor!«, riet er der jungen Frau und fügte hinzu: »Wo steckt Constantin? Ich muss ihn dringend sprechen.«
    Norani stellte den Besen in die Ecke. »Dasselbe könnte man auch umgekehrt sagen«, bemerkte sie. »Ich muss dich warnen, Lucian. Es heißt, der König habe einen ganzen Vormittag lang herumgebrüllt, nachdem er feststellen musste, dass du dich mit deinen Freunden heimlich aus der Burg geschlichen hast, um die Stadt Straßburg zu überfallen. Zehn Mann und eine Hexe.« Ihre gute Laune kehrte zurück und sie grinste breit.
    Lucian verzog das Gesicht. »Was ist mit unseren Begleitern? Sind sie …«
    »Sie sind entkommen«, fiel Norani ihm ins Wort. »Alle bis auf Niall. Er hat es nicht geschafft. Das Torgatter rasselte vor seiner Nase herunter und er fluchte wie ein Bierkutscher, als man ihn abführte. Unsere Feinde werden ihre helle Freude mit ihm haben. Einem hat er das Schienbein gebrochen, ehe man ihn ins Torhaus stieß.«
    »Sie sind hier.« Norani blinzelte. Betont langsam drehte sie den Kopf, um Yvonne anzusehen, die gesprochen hatte. »Eure Feinde. Sie sind hier«, wiederholte sie jetzt. »Wir haben den Hexenbanner dabei beobachtet, wie er den magischen Strom unterbrach, der durch die Beckensteine fließt. Es geschah dicht am Grab des Druiden.«
    Das Gesicht der jungen Magierin blieb unbewegt. »Es ist wahr«, sagte Lucian leise. »Ich fürchte, unsere Gegner haben von Niall mehr erfahren, als uns lieb ist. Du solltest den Eingang besser sorgfältig verschließen.«
    Mit einer ausdruckslosen Miene zog Norani das Tor zu und legte den Riegel vor.

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