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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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allein. Der König und sämtliche Gefährten begleiteten ihn. Auch die Sieben hatten sich diesem Zug angeschlossen. Sie kamen, um die Burg im Tal des Schreckens zu belagern und zu zerstören. Einen vollen Mondlauf lang war die Schlucht von magischem Donnerhall erfüllt, dann war alles vorbei. Constantin ließ meinen Vater hart bestrafen und zwang alle Bewohner der Feste, mich eingeschlossen, dabei zuzusehen. Dann nahm er mich mit nach Burg Landsberg, während die Hexen meine Mutter und meine Schwestern in ein Kloster begleiteten. Jeona und Gael leben noch immer dort. Meine Mutter starb bald nach der Eroberung unserer Burg und es gab nicht wenige Zungen, die behaupteten, der Einfluss meines Vaters trüge die Schuld daran. Im Tal und im ganzen Umland wurde Velasco nur der Hexer genannt. Wie dem auch sei: Ich wurde auf Landsberg erzogen und in allen Fertigkeiten eines Ritters ausgebildet. Malaury hatte sich offenbar in den Kopf gesetzt, wiedergutzumachen, was mein Vater mir angetan hatte. Er zeigte mir alles, was er wusste.«
    Lucian schwieg. Bleiernes Nachmittagslicht fiel durch die Fenster und im Hof war es still. Offenbar sammelten alle Bewohner des Konvents ihre Kräfte für den bevorstehenden Aufbruch.
    »Damit war es jedoch nicht vorbei«, sagte Lucian nach einer Weile. »Ich lernte schneller und übte eifriger als die meisten meiner Freunde, denn ich hatte einen guten Grund: Ich wollte die Welt von Menschen wie meinem Vater befreien. Als ich fünfzehn war, wurde ich von Constantin zum Ritter geschlagen. Zwei Jahre später gewann ich das Turnier.« Unter dem Laken zog er die Knie an den Körper. »Damals hatte ich nur eines im Sinn: Ich wollte Maeves Gefährte werden. Sie war zwei Jahre jünger als ich und lebte ungefähr genauso lange auf dem Odilienberg wie ich. Schon bei unserer ersten Begegnung war ich fasziniert von ihrer Gabe. Maeve stammte aus einer Stadt an der Küste. Ihr Talent bezog sich auf Wasser und Wind, während ich von einer Felsenburg in den Bergen kam. Das Fremde zog mich an. Sie war anders als alles, was ich kannte. Wir waren ständig zusammen und kaum eine Minute verging, in der wir nicht irgendein Gesprächsthema verfolgten oder auf Streifzüge gingen. In der ganzen Gegend erkannte man uns schon lange vor dem Lanzenstechen als das Paar von Beltaine.«
    Ravenna schluckte. Sie würde Lucian niemals ganz für sich allein besitzen, das wurde ihr in diesem Augenblick bewusst. Er hatte Maeve geliebt, bevor er sie kennenlernte. Und er würde sich wieder verlieben, falls sie selbst einmal nicht mehr da war. Als er ihr das Gesicht zuwandte, wich sie seinem Blick aus.
    »Ihr wisst, was dann folgte«, sagte er leise. »Die Zeremonie im Kreis der geladenen Gäste, die Schwertleite und die Verbindung des Paares durch die Hand der Magierin. Als wir am Maistein standen …« Er brach ab und ballte die Fäuste. Dann lehnte er sich aus dem Bett, öffnete eine kleine Tasche am Schwertgurt und nahm eine schwarze Perle heraus. Ravenna zuckte zurück, als Lucian ihr den Schatz hinhielt. Eine ähnliche Perle trug die Marquise in ihrem Kopfschmuck. Damit hatte Elinor ihre Stirn berührt.
    »Habt keine Sorge, Nevere hat sie mir gegeben. Sie enthält meine Erinnerungen an jenen Tag, damit ich diese Eindrücke nicht ständig mit mir herumtragen muss. Nur manchmal werden meine Erinnerungen wieder wach, so wie vorhin an Malaurys Sterbebett. Nehmt sie in die Hand und haltet sie vor das dritte Auge.«
    Vorsichtig nahm Ravenna die Perle zwischen zwei Finger und drückte sie auf das Mal auf ihrer Stirn. Ein Luftzug strich über sie hinweg. Der Raum zog sich zusammen, die Wände wellten sich wie in einem Zerrspiegel, und dann stand sie plötzlich in dem Birkenwäldchen.
    Es regnete und ein kalter Wind zerrte an den Zweigen. Nasse Blätter klebten auf dem Stein und die Festgäste hatten sich missmutig in ihre Mäntel gehüllt. Esmee war die verantwortliche Magierin. Sie schien sich für das Paar zu freuen. Dann richtete Ravenna den Blick auf Maeve.
    Die junge Hexe war wunderschön. Sie war klein und zierlich und reichte Lucian gerade bis zur Schulter. Das Haar wand sich in schweren Flechten um ihre Stirn, doch es war genug davon übrig, dass ihr die Locken wie ein pechschwarzer Wasserfall bis zum Gürtel reichten. Maeves Gesicht war herzförmig, voller blasser Sommersprossen und von einer Ernsthaftigkeit erfüllt, die Ravennas Herz pochen ließ. Sie fühlte sich zu der jungen Frau hingezogen, spürte den Drang, sie im Arm zu

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