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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Zusammentreffen mit Constantin gezeigt hatte, und stellte sich neben ihren Gefährten.
    »Es ist nicht seine Schuld«, erklärte sie und legte Lucian die Fingerspitzen auf die Schulter. »Der Ritt nach Straßburg, die Tatsache, dass Niall geschnappt wurde und dass wir so lange verschwunden waren – dafür trage ich die Verantwortung. Ich habe Lucian überredet, mich nach Straßburg zu begleiten.«
    Constantin blähte die Nasenflügel und starrte sie an. Keiner der Anwesenden verzog eine Miene. Unbehaglich verlagerte Lucian das Gewicht von einem Knie auf das andere, er schwankte leicht. Ravenna konnte die Bewegung nur deshalb spüren, weil sie unmittelbar neben ihm stand.
    »Und warum, wenn ich fragen darf?«, brachte Constantin endlich hervor. »Warum stiftest du einen meiner besten Ritter zu diesem Wahnsinn an? Ihr hättet umkommen können. Alle beide. Alle elf.«
    »Ich wollte Melisende retten«, gab Ravenna zu. »Die Marquise hatte nicht gelogen, als sie mir verriet, dass man meine Ahnin ins Feuer werfen wollte. Aber das wisst Ihr nun selbst. Außerdem haben wir das hier gesucht.« Sie öffnete einen Beutel, den sie am Gürtel trug, und zog das Siegel des Sommers hervor.
    Mit einem Aufschrei sprangen die Hexen und ihre Gefährten auf und drängten sich um sie.
    »Das ist Melisendes Ring – kein Zweifel!«, rief Esmee. »Ravenna hat ihn zurückgebracht!«
    »Dann können wir endlich aufbrechen«, ergänzte Mavelle mit einem tiefen Seufzer. »Das wurde aber auch höchste Zeit. In ein paar Tagen ist Mittsommer.« Seit Ravenna sie das letzte Mal gesehen hatte, schien der Babybauch der Elfe noch weiter gewachsen zu sein. Mavelle zog eine Grimasse und stemmte die Hände ins Kreuz, aber in ihren Augen lag ein unternehmungslustiges Funkeln.
    »Nun vergib ihm schon, deinem Ritter«, rief Josce und klopfte Constantin gutmütig auf die Schulter. »Sonst wächst er noch am Boden fest.«
    Constantin runzelte zornig die Stirn und starrte düster auf Lucian hinunter. »Du kannst aufstehen«, erklärte er schließlich. »Du hast die Sieben ja gehört.« Lucian seufzte erleichtert und machte Anstalten, sich zu erheben. Als Constantin weitersprach, sank er jedoch wieder auf den Boden zurück. »Die Ehre, einer der Gefährten zu sein, verpflichtet dich zu Treue und Gehorsam gegenüber deiner Hexe und deinem König.« Lucian zögerte, dann versuchte er erneut aufzustehen. Als er gerade halb hochgekommen war, fuhr Constantin fort. »Wenn ich über Magie gebieten würde, dann würde ich diesen Satz jedem von Euch mit Feuer hinter die Ohren schreiben. Ist das deutlich genug?«
    »Ja, Herr«, stieß Lucian hervor. »Das ist deutlich genug.« Seine Muskeln zitterten vor Anspannung. Als sich der König endlich von ihm abwandte, stand er mit einem Ächzen auf. »Ich danke Euch«, raunte er Ravenna ins Ohr. »Noch zehn Minuten länger und ich wäre nicht mehr ohne Beistand aufs Pferd gekommen.«
    »Keine Ursache«, flüsterte sie zurück. »Schließlich sage ich nur die Wahrheit. Aber jetzt verrate mir, wohin wir heute eigentlich reiten. Wie es scheint, ist der gesamte Konvent auf den Beinen und bereitet sich auf die Abreise vor.«
    Lucian öffnete den Mund, um zu antworten, doch da hatte der König bereits auf einem Thron aus Stein Platz genommen. Der Sitz stand im Scheitelpunkt, in dem die beiden Halbmonde zusammentrafen. Im Gegenlicht des Fensters leuchtete Constantins Haar wie Schilfgras, in das der Wind gefahren war.
    »Als N ächste rufen wir Yvonne von Ottrott«, verkündete er. »Ravennas Schwester wird beschuldigt, Schwarze Magie gewirkt und einen Hexendolch benutzt zu haben, obwohl sie kein Recht dazu hatte.« Er winkte, und da erkannte Ravenna, dass es einen Herold gab, der die Saaltüren für die Eintretenden öffnete und schloss. Es war Vernon, der diesen Dienst versah und nun beide Türflügel aufriss.
    Die Gerufene stand schon bereit. Als Ravenna ihre kleine Schwester sah, hielt sie die Luft an. Yvonne trug ein Kleid aus grauem Wollstoff. Der Ausschnitt war etwas zu weit und die Ärmel etwas zu lang, weshalb sie den Saum mit den Fingern gegen den Handballen presste. An den Füßen trug sie flache Schuhe aus Leder, eine Schärpe lag um ihre Taille, und ein schlichtes, weißes Band hielt ihr das Haar aus dem Gesicht. Um den Hals hing Mémés Medaillon.
    So wie sie dastand, wollte Ravenna sofort zu ihr laufen und schützend den Arm um sie legen. Yvonne wirkte wieder wie das Mädchen, das sie früher gegen Nachbarsjungen,

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