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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Erinnerungen in der Perle eingeschlossen sind, geht es besser.« Er lächelte freudlos. »Mein Vater wollte mich für meinen Ungehorsam bestrafen und das ist ihm auch gelungen. Aber er tat noch mehr, denn durch das Verbrechen brachte er Constantins Stern zum Sinken. Maeves Vater war der Erste, der dem König die Gefolgschaft aufkündigte, und zwar noch am selben Tag. Einem Herrscher, der seine Tochter nicht beschützen könne, wollte der Graf nicht länger die Treue halten. Viele sollten ihm folgen. Einige dieser Männer habt Ihr heute Morgen am Grab des Druiden gesehen.«
    Ravenna nickte stumm. Sie dachte an das Heer, das im Morgennebel den Bergrücken hinaufgeritten war. Lucians Arme spannten sich, als er das Schwert mit der verhüllten Spitze auf den Boden stellte und die Parierstange mit beiden Händen packte.
    »Begreift Ihr nun, weshalb ich meinem Vater niemals vergeben kann, selbst wenn mein Freund und Lehrer das auf dem Sterbebett von mir verlangt?«
    Ravenna nickte wieder. Sie begriff noch etwas anderes: Lucian würde niemals wieder eine Frau so sehr lieben wie die junge Hexe Maeve. Alle Erlebnisse, die sie mit ihm geteilt hatte, bekamen plötzlich einen bitteren Beigeschmack: Er hatte das Turnier für sie gewonnen, sie hatte sein Schwert geweiht, hatte ihm das Leben gerettet und er war ihr bis in ihre Zeit gefolgt, bis in die Hölle und zurück. Aber sie war nur die zweite Liebe in seinem Leben. Und das würde für immer so bleiben.

Das Hexengericht

    Ein lautes Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Vernon streckte den Kopf in den Raum und kündigte ihnen an, dass das Hexengericht in wenigen Minuten zusammentrat. Neugierig ließ der junge Ritter den Blick durch das Zimmer schweifen. Er wurde rot, als er Ravenna in die seidene Decke gewickelt auf dem Bett sitzen sah. Hastig murmelte er eine Entschuldigung, aber sie winkte ihm, es sei schon in Ordnung. Benommen stand sie auf und ging ins Bad, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.
    Durch die angelehnte Tür hörte sie, wie die beiden Freunde die wichtigsten Neuigkeiten austauschten. Zuletzt ließ sich Vernon die Hose vorführen, die Lucian mitgebracht hatte: guter alter Jeansstoff aus der Zukunft.
    »Es ist ziemlich bequem«, gestand ihr Ritter. »Vor allem, wenn man im Sattel sitzt. Auf der Innenseite hat dieses Beinkleid nur ganz flache Nähte. So hält man es stundenlang auf dem Pferderücken aus, ohne dass es an den Knien Druckstellen gibt.«
    »Du solltest dich besser beeilen und die Hose wieder anziehen«, frotzelte Vernon. »Constantin wartet noch immer auf eine Aussprache mit dir. Ich fürchte, der König ist sehr wütend. Sehr, sehr wütend, verstehst du?«
    Das letzte »sehr« zog Vernon betont in die Länge. Lucian seufzte. »Dann sei so gut und hole uns etwas Passendes zum Anziehen«, bat er. »Und wenn sie noch so bequem ist: In dieser Kleidung möchte ich ungern vor meinem König erscheinen.«
    Kurze Zeit später saß Ravenna in einem langen, mit rotem Sandstein gefliesten Flur. Sie war nun wieder wie eine Hexe aus dem Mittelalter gekleidet und nagte aus Nervosität an ihrem Fingernagel. Seit mehr als einer halben Stunde wartete sie vor der geschlossenen Doppeltür. Gedämpft konnte sie Constantins Standpauke verfolgen. Die Stimme des Königs schwoll an und ebbte ab, nur um gleich darauf wieder lauter zu werden. Einzelne Satzfetzen drangen durch die Türritzen, und manchmal verstand Ravenna Worte wie unverantwortlich oder hirnverbrannt, denen eine Flut von altfranzösischen Flüchen folgte.
    Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie stand auf, öffnete die Tür und trat ein. Auf zwei sichelförmigen Steinbänken saßen die Hexen und ihre Gefährten – die Frauen auf der einen, die Ritter auf der anderen Seite. Es war seltsam, Norani und Ramon in dieser Runde zu sehen, während Viviale und ihr alter Gefährte fehlten. Es würde eine Weile dauern, ehe sie sich an den Wechsel gewöhnt hatte.
    Lucian kniete in der Mitte der beiden sichelförmigen Bänke und ließ das Donnerwetter über sich ergehen. Constantin schritt vor ihm auf und ab. Sein Haar war so zerwühlt, als wäre er eben erst aufgestanden, und er stemmte die Fäuste in die Hüften. Mitten im Satz hielt er inne und sah auf, um herauszufinden, wer ihn zu stören wagte.
    Als der König sie erkannte, lächelte er. »Ravenna!«, stieß er hervor. »Tretet ein! Wir ließen Euch viel zu lange warten.«
    Sie verbeugte sich hölzern, wie man es ihr bei dem ersten

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