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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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strenge Lehrer und manchmal auch gegen die eigenen Eltern verteidigt hatte. Mit gesenktem Blick trat sie ein, lächelte scheu in die Runde, ging auf Constantin zu und sank in einer Verbeugung zu Boden. Als wäre sie schon immer hier gewesen, schoss es Ravenna durch den Kopf.
    »Mein König«, hauchte Yvonne und richtete sich wieder auf. Dann stand sie regungslos da und wartete ab, bis sich das Raunen legte und die Anwesenden Platz genommen hatten.
    Constantin verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Ihr wisst, warum Ihr hier seid?«, fragte er. Yvonne nickte. Hoffentlich ist sie klug und sagt jetzt das Richtige, dachte Ravenna. Ihre Handflächen waren ganz feucht und sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
    »Das sind keine nebensächlichen Anschuldigungen, müsst Ihr wissen«, fuhr Constantin fort. »Dieser Konvent und die Burg am Fuß des Berges wurden errichtet, um jede Form von Schwarzmagie zu unterbinden und zu verfolgen. Ihr seid jung, vielleicht erfasst Ihr nicht ganz, welche Gefahren sich hinter der dunklen Hexenkunst verbergen. Darum frage ich Euch jetzt: Gesteht Ihr Eure Schuld ein?«
    Yvonnes Kinn hob sich, das trotzige Grübchen erschien, doch ihre Lippen zitterten leicht.
    »Was habe ich denn Schlimmes getan?«, fragte sie. »In meiner Welt bin ich in einem Wicca-Kreis eingeweiht. Wir sind weiße Hexen und benutzen sanfte Magie. Friedlich und der Natur zugewandt. Ich habe das Recht, den Hexendolch zu tragen, denn ich bin nicht weniger Melisendes Nachfahrin als Ravenna.«
    »Eingeweiht bedeutet nicht dasselbe wie von Morrigan anerkannt«, bemerkte Aveline.
    Eifrig nickte Yvonne der jungen Hexe zu. »Das stimmt!«, bekräftigte sie. »Ja, das stimmt. Deshalb bin ich Ravenna und Lucian auch hierher gefolgt. Ich bitte euch, mich ebenfalls in die Geheimnisse eures Zirkels einzuführen.«
    Norani grinste schwach. »Träum weiter«, sagte sie. »Erst solltest du Constantin erklären, wie es kommt, dass du dich zu Beliars Anhängern verirrt hast.«
    Yvonne runzelte die Stirn, als die junge Hexe ihr diese Abfuhr erteilte. Sie benötigte einige Atemzüge, um sich wieder zu fassen. »Ihr braucht mich«, erklärte sie dann. »Ihr ahnt gar nicht, wie sehr ihr mich braucht: Hexenwahn, Verfolgungen und lodernde Scheiterhaufen – habt ihr eine Vorstellung davon, was in naher Zukunft mit Magierinnen wie euch geschehen wird? Ihr solltet froh sein, dass es Menschen wie mich gibt, die sich trotz allem wieder mit Magie befassen.«
    Die Sieben tauschten beunruhigte Blicke aus. Verzweifelt schnitt Ravenna eine Grimasse, aber Yvonne sah nicht zu ihr herüber.
    »Hexenverfolgungen? Scheiterhaufen?«, echote Josce.
    Yvonne breitete die Arme aus. »In den kommenden Jahrhunderten werden Tausende von Zauberkundigen verbrannt: Heilerinnen, Hebammen, Kräuterfrauen, aber auch Hunderte unglücklicher und unschuldiger Opfer, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. So steht es in den Geschichtsbüchern aus meiner Zeit. Es muss entsetzlich gewesen sein. Beziehungsweise: Es wird entsetzlich werden.«
    »Yvonne!«, zischte Ravenna. Ihre Schwester drehte sich um. Nicht!, gab Ravenna ihr durch ein Zeichen zu verstehen. Behalte das für dich! Ich habe den Sieben nichts über dieses düstere Kapitel erzählt.
    Aber es war zu spät. Den Hexen und ihren Gefährten war das Blut aus dem Gesicht gewichen. Erregt sprang Constantin auf. »Tausende von Toten? Nur weil sie Kenntnisse über Magie besaßen?«, rief der König. »Ist das wahr?«
    »Es ist wahr«, knurrte Josce. »Seht euch doch nur an, wie kreidebleich Ravenna ist. Es war sehr rücksichtsvoll von ihr, kein Wort über diese Entwicklung zu verlieren. Und äußerst dumm, denn solange wir nicht gewarnt sind, können wir nichts unternehmen.«
    »Warum hast du uns nie erzählt, wie unsere Zukunft aussieht?«, fragte Mavelle.
    Nun sprang auch Ravenna auf. »Weil es nicht so sein muss!«, rief sie. »Es ist der Fortgang der Geschichte, den wir kennen, Yvy und ich. Bis zu meinem Sturz durch das Zeittor ist alles so geschehen, wie meine Schwester sagt, das ist wahr. Aber es heißt nicht, dass es sich so zutragen muss. Denn wir sind jetzt hier und können den Lauf der Dinge verändern. Wenn es uns gelingt, Beliar aufzuhalten, nimmt die Geschichte einen völlig anderen Verlauf. Dann wird es auch in Zukunft noch Menschen geben, die sich an Morrigan und an den Zirkel der Sieben erinnern.«
    »Es gibt sie«, warf Yvonne leise ein. »Dafür bin ich der lebende Beweis.

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