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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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tätschelte. Die weiße Stute suchte ihre Taschen nach Karotten und Apfelstücken ab. »Du bist die letzte Magierin, von der ich noch etwas lernen kann.«
    Die zierliche Hexe nickte. Ravenna fragte sich, ob es wirklich am Elfenblut lag oder ob Mavelles seltsam blasses Aussehen, ihr Silberhaar und die moosgrünen Augen einfach eine Laune der Natur waren. Sie wagte jedoch nicht zu fragen.
    »Das stimmt«, erklärte Mavelle. »Alles, was ich dir zeigen kann, werde ich dir auf dem Ritt beibringen. Du solltest jetzt aufsitzen, denn Constantin gibt das Zeichen zum Aufbruch.«
    Seufzend schwang Ravenna sich in den Sattel. Außer Nieselregen kam an diesem Abend kein Segen von oben. Sie trug einen Rock aus grauer Wolle, der für das Reiten zugeschnitten war, dazu eine langärmliges Leinenhemd und ein Mieder, das im Rücken geschnürt wurde. Weiche Lederstiefel und ein geliehener Hexenmantel rundeten ihre Reisekleidung ab.
    »Wir reiten zum Tanzplatz der Mittsommernacht«, erklärte Mavelle, während sie den Innenhof verließen und über die Wiese zum Waldrand trabten. »Er liegt nicht auf dem Odilienberg, sondern auf einem benachbarten Gipfel. Auf dem höchsten Berg der Region, um genau zu sein. Das hat seinen Grund, denn von dort aus kann man den ganzen Horizont sehen.«
    Ravenna nickte gehorsam, auch wenn sie kaum begriff, was die Magierin ihr erklärte. »Warum reiten wir bei diesem Wetter los?«, murrte sie. »Und so spät am Abend? Die Leute sind bestimmt alle schlauer als wir. Sie liegen im Bett und schlafen.«
    Die Elfe zog den Mantel um die Schultern und setzte sich im Sattel zurecht.
    »Das tun sie nicht, Ravenna. In den magischen Mainächten schläft niemand, alle sind auf den Beinen, um zu feiern und den Festzug der Hexen zu erleben. Es ist ein alter Brauch, dass das Maipaar über die Felder reitet.«
    Ravenna zog die Schultern hoch und blickte zu Lucian hinüber, der mit Ramon an der Spitze des Zugs ritt. Sie war Luft für ihn und zwar schon den ganzen Tag über. Offenbar hatte ihn ihre unbedachte Bemerkung über Maeve getroffen, und obwohl sie den Streit längst bereute, ging er ihr aus dem Weg. Ein schönes Maipaar sind wir beide, dachte sie und grinste schief. Zerstritten und gekränkt.
    »Es ist auch ein alter Brauch, nachts im Bett zu liegen. Vor allem, wenn es regnet«, sagte sie, an Mavelle gewandt.
    Die Elfe zuckte die Achseln. »Kannst du dir nicht denken, wie wichtig es ist, dass wir uns zeigen? Wenn wir uns jetzt hinter den Mauern verstecken, werden die Leute denken, Beliar hat Recht und wir hätten Schuld auf uns geladen. Durch den Festzug machen wir deutlich, dass der Marquis uns nichts anhaben kann und wenn er uns hundertmal unter Acht und Bann stellt.«
    Ravenna nickte. Plötzlich fühlte sie wieder die vertraute Spannung in sich aufsteigen, die sie spürte, seit sie zum ersten Mal auf den Berg der Sieben gekommen war. Der Ritt war alles andere als ungefährlich – das versuchte Mavelle ihr gerade zu sagen. Sie straffte die Schultern und versuchte, die schlechte Laune abzuschütteln.
    »Also schön«, meinte sie dann. »Was muss ich über Samhain wissen?«
    »Es ist das Neujahrsfest der Hexen.«
    Überrascht drehten die beiden Reiterinnen sich um, als sie Yvonnes Stimme hörten. »Darf ich mitreden?«, fragte sie. »Schließlich kenne ich mich auf dem Gebiet ziemlich gut aus.«
    Mavelle schien nichts dagegen zu haben. Sie winkte Yvonne herbei und dann ritten sie gemeinsam durch den nächtlichen Wald: zwei ungleiche Schwestern und eine Elfe, die von einem langen Zug aus Rittern und Hexen begleitet wurden.
    »Wenn du dich so gut auskennst, nimm mir die Arbeit ab und kläre Ravenna über die Magie auf«, schlug Mavelle vor.
    »Wir feiern Samhain am ersten November oder am elften Leermond des Jahres.« Das Wissen platzte regelrecht aus Yvonne heraus. »Es ist eine Feier zu Ehren der Toten. Nach der keltischen Tradition glaubt man, dass in dieser Nacht die Tore zwischen unserer Welt und der Welt der Geister offenstehen.«
    Verwundert blickte Ravenna ihre Schwester an. »Und das habt ihr gemacht? Du, Marie und Juliana? Ihr habt die Geister gerufen?«
    Yvonne nickte. »Ich und meine Freundinnen, Mathis und viele andere. Wir haben uns einen Kraftort gesucht, einen Schutzzirkel gezogen und danach meditiert, um mit der Anderswelt eine Verbindung aufzunehmen.«
    »Einen Kraftort«, wiederholte Ravenna. Plötzlich ging ihr auf, dass sie rein gar nichts über ihre Schwester wusste. Sie waren zusammen

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