Die Hexen - Roman
weniger durchnässt und zerzaust als die anderen Reiter, hielt er die Zügel zwischen den Fingern. »Gib uns bis zur Dämmerung Quartier und du sollst einen anständigen Lohn erhalten«, sagte er zu dem Gastwirt.
»Wir haben geschlossen«, knurrte der Mann. »Wir nehmen schon lange keine Gäste mehr auf.«
»Nun, uns werdet Ihr einlassen«, beharrte Ramon und wies auf das Banner des Königs. Es zeigte das Siegel der Sieben. »Vielleicht können wir Euch sogar einen Dienst erweisen, der wertvoller ist als Gold. Euer Haus wird offenbar von üblen Geistern heimgesucht.« Mit dem Kinn wies er auf die beiden gekreuzten Dolche, die über der Tür an einen Balken genagelt waren.
Der Wirt runzelte die Stirn. Er musterte die Hexen der Reihe nach. Am längsten blieb sein Blick auf Ravenna haften, die jedoch die Zähne zusammenbiss, den Kopf senkte und an ihrer Kapuze herumzupfte, als wolle sie am liebsten unsichtbar werden.
Endlich stieß der Wirt ein Grunzen hervor, das den Lauten seiner Schweine nicht unähnlich war. »Ein Lichtersegen ist das Letzte, was ich brauchen kann«, knurrte er. »Wenn Ihr Euch der Hexerei enthaltet und Euch einfach nur wie gewöhnliche Gäste benehmt, könnt Ihr eintreten. Aber ich warne Euch: Ein Funken Magie und Ihr landet wieder auf der Straße.«
Ramon wechselte einige Worte mit den Sieben. Dann nickte er. Ächzend stemmte der Wirt das Tor auf. Der Hund schnüffelte an den vorbeiziehenden Pferdebeinen. Die Unhöflichkeit, mit der sie an diesem Ort empfangen wurden, machte Yvonne wütend . Wenn die Sieben sie nicht in die zweite Reihe verbannt hätten, dann hätte sie dem Wirt die Meinung gesagt. In dieser Gegend hielt man offenbar nicht viel von Höflichkeit und Hexenzauber. Die Macht der Sieben reichte keineswegs so weit, wie sie gerne behaupteten, sonst hätte der Wirt gewusst, wen er vor sich hatte, und hätte sie nicht in der kalten Dämmerung warten lassen. Yvonne warf einen Blick in den Himmel. Es musste gegen sechs Uhr morgens sein.
Dann presste sie die Hand auf Mund und Nase. Im Hof wehte ihr der süßliche, stechende Gestank von Schweinemist ins Gesicht. Ihre Augen begannen zu tränen. Das Borstenvieh drängte sich in einem Schuppen an der Rückwand, unter dessen Vordach ein verrotteter Wagen stand. Ein Rad fehlte. Die Tiere quiekten und grunzten aufgeregt, als sie die Reiter entdeckten. An drei Seiten war der Hof von einer gekalkten Mauer umgeben, die in einer Ziegelkrone endete. Bis in Kniehöhe hatte sich der Kalk mit Schlammwasser vollgesogen. Die vierte Seite bildete das Gasthaus, das von dieser Seite noch verfallener aussah als von der Straße aus. Ratten huschten umher.
»Uuh … will Constantin denn wirklich hier rasten? Gibt es keine bessere Herberge?« Entsetzt wandte Yvonne sich an die junge Hexenschülerin. Florence zuckte die Schultern und sprang aus dem Sattel. Sofort vertrat sie sich die Beine. Offenbar waren ihre Knie genauso steif wie Yvonnes.
»Die Ritter fürchten, dass Beliar unseren Umzug beobachtet und sich auf einen Überfall vorbereitet«, erklärte sie. Niedergeschlagen sah sie sich im Hof um. Auch an der Mauer gab es Zeichen zur Abwehr von Flüchen und Schadensmagie, mit Teer an die Wände geschmiert. »Der Marquis hat wohl kaum damit gerechnet, dass wir den Überfall des Hexenbanners zurückschlagen und rechtzeitig aufbrechen«, fuhr die junge Frau fort. »Und es wird ihm kaum gefallen. Hier befinden wir uns jedoch mitten zwischen seinen Untertanen, die ihm Steuern und Getreide einbringen. Und das bedeutet, dass er wohl kaum zuschlagen wird, während wir rasten.« Schaudernd ließ sie den Blick über das düstere Gasthaus schweifen. Offenbar waren sie die einzigen Gäste.
Yvonne machte es ihr nach, als Florence ihrem Pferd den Sattel abnahm und das Zaumzeug vom Kopf zog. Ihr Schimmel hieß Changeling, was sie seltsam fand. Changeling bedeutete Wechselbalg, und ein Wechselbalg war ein Kind, das den Menschen von den Elfen untergeschoben worden war. Ein Sprössling aus der Feenwelt. Oder aus der Hölle.
Mit einem Klaps ließ sie das Pferd durch das offene Gatter laufen. Die Schimmel drängten sich um eine Futterraufe neben dem Schweinekoben, in der Lucian und einige seiner Freunde Heu aufschütteten. Die anderen Ritter trugen die Ausrüstung zum Gasthaus. Es war ein zweistöckiges Gebäude mit einem Anbau und einem turmartigen Aufsatz auf dem Dach. Als Yvonne eintrat, empfing sie ein Labyrinth finsterer, sich verzweigender Gänge. Es roch nach Moder
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