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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schon! Deine Freunde warten!
    Lucian entspannte sich. Er schüttelte den Kopf wie jemand, der kurz eingenickt war und eben zu sich kam. Dann trug er die Krüge zum Tisch, schenkte Ramon und den anderen nach und hörte sich verwirrt den Spott seiner Freunde an. Geistesabwesend rückte er den Schwertgurt zurecht, wie um sich zu vergewissern, dass sich die Waffe an Ort und Stelle befand.
    »Ein Bindezauber?«, fragte Millie, als Yvonne den Anhänger losließ. »Damit spielt man nicht.«
    Sie zuckte die Achseln. Sie war zufrieden, denn es kostete sie immer weniger Kraft, den Geist des jungen Ritters einzunehmen und dann wieder zu entlassen. Mittlerweile gelang es ihr ganz nebenbei und so unauffällig, dass kaum jemand etwas mitbekam. Oder wie sonst war zu erklären, dass sie Lucian mitten in der Runde der Sieben verhext hatte, so dass er auf Constantins bohrende Fragen nur ein Stammeln hervorbrachte? Niemand hatte etwas gemerkt, nicht einmal Ravenna oder diese nervende, kleine Dämonenaustreiberin. Auch jetzt starrte Norani in ihre Richtung, als witterte sie Schwefelgestank.
    Die Hand des dicken Mädchens landete auf ihrem Arm. »Es gibt Regeln«, stieß sie hervor. »Für die Anwendung von Magie gibt es Regeln.«
    »Millie!«, warnte eine andere junge Magierin. »Das ist Ravennas Schwester. Sie kommt aus einer Zeit, in der die Hexen ganz anders auftreten als wir. Woher willst du wissen, dass es ihr in ihrem Zirkel nicht gestattet ist, einen Bindezauber zu wirken?«
    Yvonne schüttelte die Hand ab. »In meiner Welt macht der Mächtigste die Regeln. So einfach ist das«, erklärte sie. »Es geht darum, sich zu behaupten und zurückzuholen, was Jahrhunderte der Hexenverfolgung zerstört haben.«
    Die anderen Mädchen duckten sich auf den Bänken und wisperten erschrocken miteinander, als sie diese Worte hörten. Das dicke Mädchen mit dem Pferdegebiss schmollte. »Magie wirkt immer gleich«, erklärte sie. »Deshalb gelten auch immer dieselben Regeln. Ob heute oder später – es spielt keine Rolle. Wenn du Böses bewirkst, fällt ein Schatten auf dich zurück. Hast du diesen Merksatz noch nie gehört?«
    Yvonne lachte. »Ich bin nicht durch das Zeittor gekommen, um vor einem Merksatz zu erschrecken«, erwiderte sie. »Es geht um die Entfaltung unserer Kraft, nicht um deren Einschränkung. Oder habt ihr etwa Angst?« Sie warf die blonden Locken in den Nacken. Allmählich waren ihre Kleider trocken und ihr wurde wieder warm. Nur der Geruch nach Pferd und nassem Sattelzeug ließ sich nicht vertreiben. Sie dachte an ihr Einweihungsritual in den Zirkel, das die anderen Wiccas für sie vorbereitet hatten: Eine ganze Nacht lang hatte sie auf dem Opferstein gelegen, während die anderen im Mondlicht ausharrten und auf ihr Wiedererscheinen als Hexe warteten. Der Zirkel war ihr zu Ehren in die Bretagne gefahren, um einen großen, schönen Dolmen auszusuchen, der nah am Meer stand. Das war ihr Wunsch gewesen. Es wurde eine spirituelle Reise, in mehr als einer Hinsicht. Während sie auf dem Stein lag und mit geschlossenen Augen dem Meeresrauschen lauschte, nahm sie ihren eigenen Tod in Kauf, um sich mit der alten Kraft der Hexen zu verbinden, die vor langer Zeit an diesem Stein getanzt hatten. Es war ein symbolischer Tod, und als sie sich im Morgengrauen erhob, hatte Juliana eine Aura aus weißem Licht über ihrer Gestalt gesehen. Nicht rötlich und schmutzig grau wie die Flamme des Gewissens, sondern klar und hell – so zeigte sich ihre Gabe.
    Mit einem Lächeln lehnte Yvonne sich zurück. Sie genoss es, dass die anderen Mädchen sie anstarrten und nicht wussten, was sie sagen sollten. Nur Millie schien über ihrem Ärger zu brüten .
    »Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich Beliar rufen«, wiederholte Yvonne leise. »Und dann würde ich ihm einen Empfang bereiten, den er nie wieder vergisst.«
    Kurz darauf ging sie in die Kammer, in der sie und ihre Gefährten ausruhen würden. Im Zimmer herrschte stickige Luft. Vier Betten standen an den Wänden, der Leinenbezug war klamm und grau. Lucian fingerte gerade an den Schnallen seiner Ausrüstung herum, als Yvonne eintrat.
    »Brauchst du einen Knappen?«, fragte sie spitz. »Ich könnte dir helfen, dich auszuziehen.«
    Er warf einen finsteren Blick in ihre Richtung. »Ihr spielt mit mir«, beschwerte er sich. »Niemand fasst einen Ritter an, der nicht in engster Beziehung zu ihm steht.«
    Yvonne warf sich der Länge nach auf eines der Betten. »Ich spiele nie«, murmelte sie. Sie

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