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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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glühte. Es war ihr unangenehm, dass die Frauen ihr so viele Fragen stellten, auf die sie keine Antwort wusste.
    »Das muss aber eine weitläufige Verwandtschaft sein«, bemerkte das Mädchen spitz.
    Josce stand auf, umrundete die Tafel und berührte Ravennas Schläfen mit den Fingerspitzen. »Nun sollte es bessergehen«, meinte sie. »Jedenfalls können wir dich ab sofort leichter verstehen. Einen merkwürdigen Dialekt sprichst du da. Aus welcher Gegend stammst du?«
    Ravenna erging es wie einer Schwimmerin, deren Ohren sich nach einem Tauchgang öffneten. Überrascht bewegte sie den Unterkiefer. Plötzlich hatte sie keine Mühe mehr, ihre Gastgeberinnen zu verstehen. »Aus Straßburg. Geboren wurde ich aber in Ottrott.«
    Josce nickte. »Sehr gut – dann dürftest du bereits von dem neuen Marquis auf Hœnkungsberg gehört haben. Nein? Aber den Bischof kennst du. Er ist ein Freund. Allerdings gelingt es ihm nur schwer, sich gegen die Stadtherren zu behaupten. Fast der gesamte Adel steht auf Beliars Seite.« Wütend spuckte die Jägerin ins Feuer. »Deshalb konnte Constantin die Trutzburg nicht länger gegen ihn halten. Einige unserer Bogenschützen verschanzen sich noch immer im Belagerungsturm – nicht genug, um Beliars Festung dauerhaft zu belagern, aber ausreichend, um dem Marquis das Leben schwerzumachen.«
    »Dem Land und seinen Bewohnern ging es besser, als der Marquis nicht einmal wagte, einen Fuß auf seine Zugbrücke zu setzen«, seufzte die Dunkelhaarige. »Damals machte er kaum seinen Einfluss auf die Kaufleute und Zünfte geltend und vergiftete den Stadtrat nicht mit dem Gerede von verzauberten Lämmern und Hagelsiederei.«
    »Das war ein anderer Herr«, warf die Frau mit dem Stern auf der Stirn ein. »Nicht diese Ausgeburt der Hölle, die nun auf dem Hœnkungsberg herrscht.«
    Die Dunkelhaarige schauderte. Ravenna blinzelte überrascht. Täuschte sie sich oder rann ein Schillern über ihre Haut wie fahles Regenbogenlicht? »Arme Melisende! Sie ist eine von uns«, erklärte sie, an Ravenna gewandt. »Sie hat König Constantin und seine Männer bei der Belagerung unterstützt. Als der Marquis einen Ausfall unternahm und Constantins Stellungen überrannte, fiel sie ihm in die Hände. Seit Wochen sitzt sie nun schon in Straßburg in Haft, nachdem der Marquis sie wegen angeblicher Hexerei angezeigt hat. Bislang sind all unsere Versuche, sie zu befreien, fehlgeschlagen. Nicht einmal der Aufruf des Königs an die Stadtväter zeigte Wirkung. Weshalb lässt Morrigan zu, dass solch schreckliche Dinge geschehen?«
    Josce klopfte die Pfeife aus und zuckte die Achseln. »Warum gibt es Schwarz? Warum Weiß? Da kannst du dich auch gleich fragen, warum der Winter Eispaläste zaubert und der Sommer Mückenlarven ausbrütet. Die Welt ist, wie sie ist und wir richten uns so bequem darin ein, wie es eben möglich ist.«
    »Ich glaube kaum, dass wir bloß tatenlos zusehen sollten, wenn uns der Markgraf auf dem benachbarten Berggipfel Pest und Verderben wünscht und eine von uns ins Gefängnis bringt!«, fiel die zarte Elfe ein. »Genau deshalb sind wir doch hier: Wir wirken Magie, um das Böse in Schach zu halten.«
    »So wie Melisende«, fügte die Dunkelhaarige mit trauriger Stimme hinzu. Ihre Haut schillerte wirklich wie die Innenseite einer Muschel. »Ihr Bannkreis sollte Beliar in seiner Burg festhalten. Aber jetzt …«
    »Esmee hat Recht«, warf die untersetzte Magierin ein. »Wir dürfen Melisende nicht im Stich lassen. Sonst ist bald schon die nächste von uns an der Reihe und wird als Hexe angeklagt.«
    In der Runde regte sich Widerspruch. »Hexen – so nennen uns die Stadtherren und Herzöge, die keine Ahnung haben, was wir tatsächlich tun. Leute, denen unser Konvent schon immer ein Dorn im Auge war«, erzürnte sich die Frau mit dem Stern auf der Stirn. »Natürlich hat Beliar diese Dummköpfe mühelos auf seine Seite gezogen, oder habt ihr etwas anderes erwartet? Wir sind Zauberinnen, Magierinnen und Gelehrte. Wir sind die Sieben.«
    »Aber ihr seid nur zu sechst.«
    Alle Augen richteten sich auf Ravenna, die sich sofort für ihr loses Mundwerk verfluchte. Nicht zum ersten Mal brachten sie ihre unbedachten Bemerkungen in Schwierigkeiten.
    »Deswegen haben wir dich gerufen«, erklärte Josce gutmütig. »So wie es aussieht, wird es uns kaum gelingen, Melisende vor der Mittsommernacht freizukaufen. Als ihre nächste Verwandte sollst du ihren Platz einnehmen, damit der Tanz auf dem Hohen Belchen stattfinden

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